Hummeln im Bauch

Von einer die auszog, das Lieben zu lernen

Leseprobe

Copyright © 2017 by Jo Berger

 

Einmal Single, immer Single?

„Soll ich auf die große Liebe warten? Auf Mr. Right, der mein Herz erobert? Genau das ist das Problem. Der kommt nicht einfach und klopft an die Tür, den richtigen Mann muss man zunächst einmal erkennen. Und wie zur Hölle geht das? Vielleicht durch Ausprobieren? Jeans probiert man ja auch an, bevor man sein Leben mit ihnen teilt.“

Die attraktive Emma ist mal wieder Single. Bis vor Kurzem war ihr Leben perfekt. Sie hatte einen genialen Job, eine schicke Wohnung und den perfekten Mann an ihrer Seite. Doch seit der Trennung von Vincent läuft alles aus dem Ruder.
Immer mit einem Fuß auf dem Gas und mit dem anderen auf der Bremse, geht sie mit ihrer Freundin Lynn auf die Suche nach Mr. Right. Allerdings lernt Emma immer nur Typen kennen, die ihr kein Hummelbrummen im Bauch verschaffen. Doch kurz vor Lynns Hochzeit weiß sie plötzlich, wer an ihre Seite gehört.

Kakaonächte

Eingeschlafen. Na so was?
Irritiert blinzelte ich gegen die durch das Fenster einfallenden Sonnenstrahlen und zog mir schlaftrunken das Gummiband aus den Haaren. Dabei riss ich mir eine rotblonde Strähne aus.
»Aua, verflucht!«
Na super, erst penn ich mitten am Tag ein und dann skalpiere ich mich auch noch fast. Wie spät ist es eigentlich?
Ich angelte nach meiner Uhr auf dem Tisch neben dem Sofa, bis ich bemerkte, dass ich sie am Handgelenk trug.
Sechzehn Uhr am Nachmittag. Samstag. Eigentlich hatte ich mich nur kurz ausruhen wollen. Jetzt stand meine innere Uhr irgendwo auf früh morgens und verdammt früh morgens.
Einen langen Seufzer ausstoßend schlurfte ich in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen. Heißer, kalorienarmer Kaffee mit null Prozent Fettanteil im Bohnendestillat schmeckte zu jeder Tageszeit und machte müde Mädels munter.
Mit Genuss schlürfte ich meinen fünften Kaffee des Tages – vier hatte ich am Vormittag in mich reingeschüttet um auf Betriebstemperatur zu kommen. Nebenbei ignorierte ich erfolgreich die Bügelwäsche, die verknittert über einem Stuhl hing. In diesem Moment fühlte ich mich mit meiner Bügelwäsche irgendwie verbunden, und beschloss, nach dem Kaffee den Zustand meiner Haare und des am Vormittag aufgetragenen Make-ups zu prüfen.
Ich legte die Füße hoch und schloss die Augen. Nur mein Kaffee und ich.
Und – Oh nein! Um wie viel Uhr sollte ich Lynn abholen? Hastig stellte ich die Tasse ab, raste zum Telefon, fiel über den Staubsauger – verdammt, das wollte ich ja auch noch tun – und griff mir das Telefon. Schnell tippte ich Lynns Nummer.
Nach drei Freizeichen wurde auf der anderen Seite abgenommen.
»Ja, Mama, ich weiß, ich achte darauf, die großblätterigen Pflanzen auch abzustauben. Nein, du brauchst nicht kommen.«
»Hatte ich nicht vor. Ehrlich nicht. Und nenn mich doch einfach Emma.«
Ich hörte sie aufstöhnen. »Du bist´s …«
»Nein, ich tu nur so. Denk dran, das Grünzeug abzustauben.« Grinsend schlurfte ich zurück in die Küche, neuen Kaffee holen.
Lynn hörte sich verschlafen an.
»Hey, altes Haus, wie geht es deinem Kopf?«, fragte ich munter.
»Frag nicht …«
»Liegst du etwa noch im Bett?«
»Ja, genau das. Und ich würde noch schlafen, wenn mich meine Mutter nicht permanent anrufen würde.«
»Du verpennst den ganzen Tag, meine Liebe. Hopp, aufstehen, Kaffee kochen und quatschen, wie es sich gehört. Schließlich habe ich dich gestern unbeschadet vor der Haustür abgeladen!«
Einem Rascheln am anderen Ende der Leitung folgte eine seltsame Stille. Sie würde doch nicht etwa …?
»Lynn? Was machst du? Schläfst du wieder?«
»Moment, gleich fertig, auch nur ein Mensch …«
Das Rauschen der Klospülung warf ungewollt mein Kopfkino an. Ich konnte nicht umhin, mir Lynn mit dem Telefon auf der Toilette vorzustellen, im Gesicht nicht nur Reste von Schminke, sondern auch alle Anzeichen eines kapitalen Weinschorlekaters.
Es rappelte, es schnaufte, es stöhnte. Meine verschlafene Freundin hatte sich offensichtlich vom Klo zur Kaffeemaschine vorgearbeitet und setzte diese in Betrieb. Lynns Kommunikationsmodus schien in Ermangelung vorrätigen Hirnspeichers vorübergehend lahmgelegt. Sie machte Kaffee mit Telefon zwischen Kinn und Schulter, zu mehr schien sie nicht in der Lage zu sein. Das Gluckern der Maschine verriet mir, dass die vier Tassen Singlekaffeedosierung bereits durchlief.
»Emma? Noch dran?« Oha, Lynns Funktionen schalteten auf Normalzustand.
Seit vierzehn Tagen zogen wir ein- bis zweimal die Woche gemeinsam durch die Kneipen Heidelbergs. Man könnte auch sagen, alleinstehende Frauen verbrachten in dem Lokal ihrer Wahl einen schönen Abend mit ansprechender Musik, und hielten Ausschau nach noch ansprechenderen Männern, die günstigstenfalls Single sein sollten.
Wir trafen auf bekannte Gesichter, lachten, tanzten und schenkten attraktiven Kerlen – so denn welche da waren – unsere tiefsten Blicke. Bedauerlicherweise war die Auswahl am Vorabend kümmerlicher ausgefallen als gehofft. Nichts fürs Auge, nicht einmal bei akuter Kurzsichtigkeit und der Bereitschaft, sich den Durchschnitt schön zu trinken. Diese Mittelmäßigkeit allerdings hatte uns ihrerseits augenfällig zu viel Interesse entgegengebracht.
»Emma? Erinnerst du dich an den Typen vom letzten Donnerstag, der mit den blauen Augen? Schade, dass der gestern nicht da war. Ich habe bis zum Schluss gehofft, dass er noch reinkommt. Der war ja mal eine Sahneschnitte. Ist er dir nicht aufgefallen?«
Das Einzige, was mir auffiel, waren zwei Mittzwanzigerinnen, die sich wie liebeskranke Teenager auf der Jagd nach dem Traumprinzen zum Affen machten. Da zählten nur blaue Augen und »Mein Gott, wie der gucken kann« und der Hintern. Der Hintern war ein maßgeblicher Faktor in Bezug auf die Restattraktivität. Träger von Hängehintern, oder solche mit freigiebigen Einblicken auf Unterwäsche, bekamen keine Chance. Leider verbargen überfüllte Kneipen gelegentlich den Blick auf den Allerwertesten. Unter dem Umstand stellte sich dann die Frage: Ihn ansprechen oder auf dem Weg zur Toilette scheinbar zufällig seinen Arm streifen, auf Tuchfühlung gehen, um festzustellen, wie er roch, wenn uns schon der Blick auf seine informative Rückseite versagt wurde?
Waren wir am Zielort angelangt, zogen wir die Lippen nach, puderten die glänzende Stirn und waren sicher: Der hat nicht mal geguckt!
»Hast du heute was Bestimmtes vor?« Ich fragte, obwohl ich bereits dumpf ahnte, Lynn würde ihren Kater kurieren und sich den Rest des Tages im Schmuddeloutfit genüsslich auf dem Sofa ausstrecken.
»Denke, ich werde heute zu Hause bleiben und überhaupt nix tun. Weil, bald ist ja schon wieder Montag!«
Sagte ich doch.
Aber sie hatte recht. Montag! Das Stichwort, das den Tag ins Verderben riss. Stähler & Co GmbH, unser Brötchengeber seit fast drei Jahren. Allein der Name hätte mich stutzig machen sollen, bevor ich dort meine Leibeigenschaft unterschrieb. Wie stählt man seine Untergebenen? Mit Zuckerbrot und Peitsche? Mit Labberbrötchen in der Kantine? Aber er ernährte uns, wir waren dankbar, motiviert und guter Dinge. Und bisweilen machte der Job ja auch Spaß. Außer montags. Und freitags. Okay, der Mittwoch war ebenfalls ein kritischer Tag, ebenso wie der Dienstag. Aber zum Glück hatte ich in Lynn Freundin und Kollegin gleichzeitig. Geteiltes Leid ist erträgliches Leid.
Wann erfand man endlich die Montagsverhinderungsmaschine? Aber wenn es jemand täte, was wäre dann? Der Dienstag wäre dann der neue Montag und wir hätten lediglich den Wechsel von Montag auf Dienstag.
»Emma, was hältst du davon, wenn ich spontan zu dir komme und wir frühstücken gemütlich?«
Frühstück am Nachmittag … Okay.
Der unerwartete Aktionismus meiner verkaterten Freundin versetzte mich kurz in Panik. Jetzt hieß es für mich, in ungewohnte Hektik zu verfallen, mein Bett in ein ansehnliches Sofa zu verwandeln und zu lüften.
Frischluft, bitte! Mit geschlossenen Augen zog ich die kalte Februarluft in meine Lungen und genoss den unverdorbenen Morgen. Nach einer Weile fröstelte es mich und ich beschloss, unter die heiße Dusche zu springen. Lynn musste ja nicht unbedingt sehen, was für eine Nacht ich hinter mir hatte. Das blühende, mineralwasserpralle Leben sollte sich ihr offenbaren.
Es gab kaum Schöneres, als heißes Wasser über den Nacken rieseln zu lassen, bis der Spiegel beschlug und die Kakaopölsterchen in einem Dunst aus Wasserdampf verschwanden. Gerne auch in Gesellschaft eines männlichen Wesens. Zwischen uns nur duftender Seifenschaum und sein Sixpack. Zärtliche Hände, die über meine Hüften glitten …
… und dort direkt auf meine Kakaopölsterchen trafen. Oh. Und auf meinen Wabbelbauch. Und auf die Oberschenkel, die mittlerweile den Oberflächen überreifer Orangen ähnelten.
Nein. Stopp. So nicht. Kein Kakao mehr, fünf Kilo lang nicht. Kakaoverzicht mutete erträglicher an als eine männerfreie Zone unter der Dusche. Also, runter mit dem Speck. Dieser Vorsatz musste sofort mit Lynn besprochen werden. Schließlich war sie im Thema, hatte sie doch noch mehr überflüssige Kilos als ich. Pfui, welch böser Gedanke. Aber ist doch wahr.
Ich schloss die Augen und genoss das warme Wasser auf meiner Haut.

Frischluft, bitte!

Immer noch fühlte es sich komisch an und ich wusste nicht, ob ich es toll finden soll oder nicht. So ein Singledasein hat ja nicht nur Vorteile.
Hätte mir vor ein paar Wochen jemand erzählt, dass ich mich schon bald als Einspänner in einer Ein-Raum-Wohnung wiederfinden würde, hätte ich gesagt, er soll schaukeln gehen. Ich war ziemlich gut darin, mir Selbst in die Tasche zu lügen, das musste ich mir lassen.
Tja, also vor ziemlich genau sechs Wochen hatte das Schicksal am Drecksrad gedreht und den Zeiger auf folgende Karte gerichtet: Sie benötigen in absehbarer Zeit ziemlich dringend eine beste Freundin.
Zum Glück hatte ich in dieser Sekunde Lynn an meiner Seite.
Dann kam der Tag, der alles verändern sollte. Es geschah an einem Samstag. Mein heiß geliebter Noch-Partner Vincent arbeitete wie jedes Wochenende. Wenn er nicht putzte, kochte und mir mit seinen Ratschlägen und erhobenem Zeigefinger klarzumachen versuchte, dass ich noch viel von ihm lernen könnte, arbeitete er. Nun, zu der Zeit wusste ich, er würde heimkommen, mir ein lapidares »Hallo Schatz« vor die Füße näseln und anfangen, sich die Zähne zu putzen. Er putzte sich immer die Zähne. Zu jeder Tages- und Nachtzeit. Nach dem Mittag-, dem Abendessen und vor dem Frühstück. Hinterher sowieso. Auch vor dem Sex. Danach erst recht und nicht nur die Zähne. Ein sauberer Mann.
Aber diesmal nicht. Er würde sich in seiner hygienisch einwandfreien Wohnung umsehen, seine mustergültig legere, wenig erfolgreiche und leicht gelatinöse Freundin entdecken und trotzdem mit ihr umgehend in die frisch gebügelten Laken sinken. Soweit meine blauäugige Wunschvorstellung.
Umgehend verfiel ich in einen für mich untypischen Putzwahn und untersagte den Katzen, im Wäschekorb Verstecken zu spielen. Sie würden mich zwar wochenlang mit Nichtachtung strafen, aber damit musste ich zwangsläufig leben.
»Hör zu Jane, nachher, wenn ich hier fertig bin, darfst du stundenlang in den Wäschekorb. Fest versprochen.«
Ein herzzerreißendes »Mau« und ein verständnisloser Blick aus traurigen Katzenaugen ließ mich schwanken und die Wäsche auf später verschieben. Was, wenn mein Plan nicht aufging? Dann hätte ich auch noch die Katze gegen mich.
Innerhalb von sechs Stunden blitzte die vollständige Inneneinrichtung inklusive Speisekammer, Zimmerecken und Zahnbürstenhalter.
Für das Cerankochfeld hatte ich in weiser Voraussicht ein Spezialblank-Wisch-und-Sauber-Gel besorgt. Von wegen Wisch und sauber. Dieses Gel hinterließ sofort nach dem Auftragen einen stumpfen, grauen Film auf dem Cerangötterfeld, der mühevoll poliert werden wollte. Also polierte ich um mein Liebesleben.
Versunken in dem erhebenden Gefühl, aus einer verschmierten Oberfläche eine blitzblank schwarze zu machen, stand unvermittelt Vincent im Raum. Ha! Da hatte er doch spontan sein »Hallo Schatz« vergessen. Ich wischte mit dem Handrücken über die Stirn und strahlte ihn an. Eigentlich hatte ich erwartet, auf Begeisterung zu stoßen, doch er belehrte mich spontan eines Besseren.
Mein Lächeln gefror auf der Stelle und fiel als eiskalter Minieiszapfen vom Mundwinkel ab.
»Was soll das denn werden? Liebe Emma, verwendest du hier etwa ein Billigprodukt? Ich hatte dir doch diesen Test verschiedener Putzmittel zu lesen gegeben. Der hat eindeutig festgestellt, dass Billigprodukte die Oberflächen eher schädigen als reinigen!« Dabei wischte er mit dem Zeigefinger über die noch nicht polierte Schmiere, hielt mir den Finger unter die Nase und drehte mit verächtlichem Blick ab – ins Bad, Zähne putzen.
Paralysiert stand ich mit dem Poliertuch in der Hand in der Küche und hörte gurgelnde Geräusche aus dem Badezimmer. Der Typ hatte mich angesehen, als sei ich naturblöd. Was nahm der sich heraus, mich so zu behandeln? Wer war ich denn?! Das durfte alles nicht wahr sein. Ja, war ich blind, von Pferden getreten? War ich wirklich so vernagelt?
Um es kurz zu machen: Ja, ich war so dämlich. Wie in Trance hatte ich nach meiner Jacke gegriffen. Nur raus hier. Frischluft, bitte, mindestens einen Wald voll.
Lynns Worte hallten in meinem Kopf nach: »Warum lässt du dich so behandeln? Der Mann ist ein egoistisches Arschloch, der lässt dich nur bei sich wohnen, weil ihm die polnische Perle zu teuer ist. Der hat definitiv ein Frauenproblem. Gib ihm den Laufpass, ohne ihn bist du besser dran!«
Ach ja? War ich das? Nun, irgendwie hatten sich Lynns Worte richtig angefühlt, auch wenn sie geschmerzt hatten. Ich würde definitiv etwas vermissen. Die Katzen beispielsweise. Und die Terrasse. Den warmen Geruch der alten Bodendielen. Und natürlich den Blick über Bäume so weit das Auge reichte. Die Bequemlichkeit, das Kuscheln und Einschlafen vorm Fernseher. Seltsam nur, dass alles das nicht unbedingt an die Person »Vincent« gebunden sein musste.

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