Liebesroman

Bestseller Highland LiebesromanEr ist erfolgreich, attraktiv und ein übler Frauenheld. Seine Beziehungen überdauern meist nur eine Nacht. Keine Gefühle, keine zweiten Dates.

Sie träumt von der großen Liebe und wurde von ihrem Partner kalt abserviert.

Als Sarah Miller das erste Mal auf Rob Forrester trifft, ist es ein Wunder, dass nur ein Glas zu Bruch geht. Denn von solchen Typen hat Sarah ein für alle Mal genug! Doch dann begegnet sie dem Kerl wieder, diesmal bei einer Wellnesswoche in den schottischen Highlands. Zwischen den beiden knistert es gewaltig, doch Sarah wehrt sich mit aller Kraft gegen den Sturm der Gefühle, den Rob in ihr auslöst.
Noch während sie hin- und hergerissen ist, macht sie eine folgenschwere Entdeckung, aus der es nur einen Ausweg gibt: Sie muss sofort abreisen! Und darf Rob Forrester nie wieder sehen.

Leseprobe

Das darf doch jetzt einfach nicht wahr sein!
Mit einem Ruck löse ich mich von der sexy Blondine, springe aus dem Bett und schnappe mir das Telefon von der Kommode.
»Verflucht! Nicht mal in Ruhe vögeln kann man hier!«, brumme ich unwirsch.
Ich bin es so leid, dass mich meine Mitarbeiter zu jeder Tages- und Nachtzeit konsultieren, obwohl ich ihnen sicher schon tausendmal gepredigt habe, das zu unterlassen. Insbesondere am Wochenende. Das ist jetzt schon der dritte Anruf innerhalb der letzten vier Stunden!
Entnervt werfe ich einen Blick auf das Display. Was will denn meine Schwester Susan von mir?
Plötzlich merke ich, wie sich ein warmer Körper von hinten an mich presst.
»Alles okay?«
Das blonde Betthäschen, denn mehr ist sie nicht, deren Namen ich spontan vergessen habe, fährt mir mit ihren langen, künstlichen Fingernägeln über meine Lenden und der helle, fast schon schrille Klang ihrer Stimme raubt mir den letzten Rest Lust, den ich bis eben noch verspürt habe.
Misslaunig schiebe ich sie von mir weg, bedeute ihr, dass sie sich anziehen soll, und nehme das Gespräch entgegen.
»Himmel, Arsch und Zwirn, Susan! Was zur Hölle willst du an einem Sonntagabend von mir?!«
Ein Schwall vorwurfsvoll hervorgestoßener Worte quillt aus dem Hörer. Ich verstehe nur »Bruder«, »Fleisch und Blut« und »Du musst helfen«.
»Muss ich das, ja? Wie oft noch?«
Aus dem Augenwinkel beobachte ich die Blondine, die jetzt einen Schmollmund zieht und sich in ihr knallrotes Kleid zwängt.
Himmel, hat die Frau einen phänomenalen Hintern! Allein der Anblick lässt meinen Schwanz hart werden. Schade nur, dass das auch das Einzige ist, was mich an der Frau reizt – oder vielmehr gereizt hat, denn sobald sie den Mund aufmacht, glaubt man, sich mit einer quietschenden Zimmertür zu unterhalten. Dana. Genau, Dana ist ihr Name. Und Dana sagt eigentlich fast nie etwas, sie quietscht wie ein lockerer Keilriemen, selbst beim Sex. Im Prinzip muss ich meiner Schwester sogar dankbar sein, dass sie gerade jetzt anruft.
Ich drehe mich zum Fenster, blicke auf die Häuser Nottinghams hinab und widme mich wieder meiner Schwester, die ohne Unterlass redet.
»Ja!«, sage ich barsch, weil alles, was sie mir durch den Äther schickt, bereits bekannt ist. So bekannt, dass ich es nicht mehr hören kann. »Ist ja schon gut, Susan! Morgen früh, neun Uhr. Du ja im Bilde, wie ich meinen Kaffee trinke.« Dann lege ich auf.
Sofort stakst Dana auf ihren High Heels auf mich zu und fasst mir in den Schritt. Kurz überlege ich, ob ich sie aufs Neue ins Bett ziehen soll.
»Bitte nimm mich noch mal von hinten so wie vorhin«, piepst sie und formt ihre rot glänzenden Lippen zu einem Kussmund, der sich unaufhaltsam meinem Gesicht nähert.
Unter normalen Umständen käme ich solch einer Aufforderung liebend gerne nach, doch die ständigen Anrufe und die schrille Stimme dieser Frau lassen meine Erektion zusammenfallen wie ein Soufflé, das aus dem Backofen genommen wird und Zugluft bekommt. Unabhängig davon, dass jedes Soufflé innerhalb von drei bis fünf Minuten kollabiert, was ich von meinem Schwanz für gewöhnlich nicht behaupten kann.
Ich weiche der Dame aus wie ein Boxer einer heftigen Linken und ziehe ein paar Scheine aus meiner Geldbörse.
»Hier, ruf dir ein Taxi.«
»Ja, aber …«, beginnt sie schrill und ich hebe abrupt die Hand.
»Still! Kein Wort mehr. Du weißt, wo die Tür ist.«
Damit lasse ich sie stehen und begebe mich ins Bad. Was war nur in mich gefahren, ausgerechnet diese Lady bei der Party eines Geschäftspartners abzuschleppen?
Einen Augenblick später höre ich sie »Arschloch!« fiepen und kurz darauf fällt die Tür ins Schloss. Dann steige ich unter die Dusche.
Mir ist leicht übel. Wahrscheinlich ein bisschen zu viel Kaviar, Minihäppchen von Gänseleber-Talern und geviertelten Wachteleiern an Champagnerschaum.
Das heiße Wasser belebt meine Sinne, perlt von meiner harten Brust ab und langsam kehren die Lebensgeister wieder. Spontan überfällt mich das Bedürfnis nach handfester Nahrung. Schön fettig und mit viel Ketchup. Bratwurst.
Ich freue mich auf abgewetzte Jeans, Pulli und Lederjacke. Mit Mütze! Heute Abend werde ich nicht Mr. Forrester sein, nur der unscheinbare und unbekannte Mann, der irgendwo etwas isst.
Und wo zur Hölle bekomme ich jetzt eine fetttriefende Bratwurst her?
Kurzerhand schlinge ich mir ein Handtuch um die Hüften und tippe die Nummer meines Chauffeurs Edward.
»Ja, Mr. Forrester? Wohin darf ich Sie fahren?«
»Nirgendwohin, Edward. Sag mal, wo bekomme ich in dem Kaff eine richtige Bratwurst?«
Natürlich weiß Edward alles, er ist ein wandelndes Lexikon. Nachdem er mir einige Adressen genannt hat, bedanke ich mich und lege auf.
Wunderbar! Die kurze Strecke zum Nottingham Council House kann ich zu Fuß zurücklegen. Die frische Luft wird mir guttun nach all dem gezierten Gelaber der feinen Gesellschaft. Und nach dem dämlichen Gekicher der blonden Schnitte. Eine wie die andere, alle sind sie austauschbar. Und das widert mich von Mal zu Mal mehr an.
Ich gebe zu, dass ich nicht nur die Frauen, auch die ganzen Schleimer um mich herum leid bin. Mr. Forrester hier, Mr. Forrester da. Und die Weibsbilder sind sowieso alle gleich. Alle sind sie nur hinter meinem Geld her.
Und jetzt Frischluft und Bratwurst. Absolut inkognito.

»Das ist nicht dein Ernst!« Fassungslos setze ich mich im Bett auf und rutsche von Alan ab. Dabei schlinge ich das dünne Betttuch um mich, als wäre es mir unangenehm, dass er mich so sieht. So nackt.
Ich glaube nicht, was er mir soeben verkündet hat. Und das ausgerechnet am ersten Tag des neuen Jahres! Ausgerechnet nach dieser wundervollen Nacht!
Draußen ist es ja noch nicht einmal hell!
Ich kann ihn nur ansehen und weiß nicht, ob ich heulen oder ihm eine runterhauen soll. Was macht er denn jetzt? Er streckt die Hand nach mir aus? Der hat sie doch nicht mehr alle! Aber selbst in dieser Sekunde bin ich wie festgefroren und starre auf diese Hand – Alans Hand. Die Hand, die mich vor wenigen Minuten noch zärtlich berührt hatte. Jetzt kommt mir seine Geste so falsch vor, so hinterhältig und verlogen, sein ausgestreckter Arm wie eine Schlange, jederzeit bereit, mir den Todesbiss zu versetzen.
Ich lache verzweifelt auf. Im Prinzip hat er genau das gerade getan. Mir den Todesstoß versetzt! Unerwartet, schnell, aus dem Verborgenen. In einer Situation, in der eine Frau absolut wehrlos ist. Nackt und noch schwebend im multiplen Orgasmus.
Und dann? Peng! Als hätte jemand das Fenster geöffnet und einen D-Zug direkt durch meinen Kopf fahren lassen.
»Es tut mir leid«, sagt Alan jetzt mit einschmeichelnder Stimme, setzt sich auf und ich beobachte starr, wie er sich mit der Hand über seine vollen, blonden Haare fährt. »Ich … ich habe mich in …«
»Stopp!«, krächze ich, und die Worte bleiben mir fast in der Kehle stecken. »Das will ich nicht hören. Ich kann es mir denken. Und ich will es verdammt noch mal nicht hören!«
Eine eiskalte Faust schließt sich um meine Eingeweide, als ich wie betäubt zusehe, wie er aufsteht und sich anzieht. Langsam, als würde er zögern. Überlegt er es sich in diesem Moment vielleicht anders? Bereut er womöglich, was er gerade gesagt hat? In mir glimmt ein letzter Rest Hoffnung wie der Stummel einer Zigarette am Rand einer Pfütze.
»Alan?«, frage ich leise.
Doch er seufzt nur schwer, geht zu seiner Tasche, zieht ein Päckchen heraus und hält es mir hin. Dabei wirkt sein Blick verschämt, wie der eines Jungen, der etwas angestellt hat und jetzt so schnell wie möglich aus der Situation herauswill.
»Hier. Das … das ist mein Neujahrsgeschenk für dich.«
»Ein Geschenk?!« Ich fasse es nicht! Erst vögeln wir die halbe Nacht durch, dann serviert er mich eiskalt ab und jetzt will er mir etwas schenken? May hat recht, der Typ ist nicht vorne wie hinten. Auf der ganzen Linie nicht.
Dennoch schneidet mir der Anblick, wie er mit seinem Dackelblick und lang gestrecktem Arm das Päckchen hinhält, schmerzhaft ins Herz.
»Kannst du behalten!«, spucke ich die Worte wie faules Fleisch aus, springe auf und blicke starr aus dem Fenster. Es schneit immer noch. Beinahe hätte ich es schön gefunden. Beinahe. War ich doch tatsächlich kurz davor gewesen, wieder einen Mann an mich heranzulassen … Wie blöd muss ich sein?
Ich will es nicht, aber ich kann nichts dagegen tun, lache unwillkürlich auf und schüttele den Kopf. Unglaublich, ich hätte mich sogar mit dem Gedanken anfreunden können, vielleicht mit ihm eine gemeinsame Wohnung zu beziehen. Bis vor wenigen Minuten habe ich tatsächlich geglaubt, Alan wäre endlich der Mann, der …
»Sarah! Bitte!«, höre ich ihn hinter mir wie aus weiter Ferne sagen. »Das mit uns war eine wunderbare Zeit. Nicht nur das, es waren die wunderbarsten sechs Monate meines Lebens. Aber … Bitte nimm das Geschenk an.«
Auf dem Absatz wirbele ich herum, so schnell, dass mir beinahe das Betttuch herunterrutscht. Krampfhaft halte ich es vor der Brust zusammen.
»Ach ja? So wunderbar, dass du offensichtlich lange vor Weihnachten eine andere kennengelernt hast, aber mir freundlicherweise die Feiertage und das Silvesterfest nicht verderben wolltest? Deine neue Tussi war bestimmt sauer, dass du die Zeit nicht mit ihr verbracht hast. Mach, dass du meine Wohnung verlässt, bevor ich mich vergesse und das Päckchen auf deinem Schädel öffne!«
Sarkasmus rettet mich immer aus Situationen, die mir nahegehen. Warum also nicht auch jetzt?
Ertappt zuckt er mit den Schultern und wendet sich zur Tür. »Niemand weiß, wo die Liebe hinfällt.«
Jetzt reicht es! Abrupt mache ich zwei lange Schritte auf ihn zu, stolpere über einen Zipfel des Betttuchs, fange mich jedoch wieder. Hektisch raffe ich den dünnen Stoff um mich.
»Und dann schläfst du noch mit mir? Hauchst meinen Namen? Wie mies bist du drauf, Alan?!«
»Sarah, ich … Du bist eine wunderbare Frau! Ich wollte nur noch diese eine Nacht mit dir. Kannst du das nicht verstehen?«
Mit einer zackigen Bewegung reiße ich ihm zwar nicht seine blonden Locken aus, dafür das in blaues Papier gewickelte Geschenk aus der Hand und werfe es mit Karacho gegen die Wand. Das hat gutgetan!
»Das war jetzt nicht nett«, sagt er und blickt mich mit seinem Dackelblick an.
»Nicht nett?! Sei bloß froh, dass die Wand dafür herhalten musste und nicht dein Womanizer-Face, du testosterongesteurter Pfau! Aktuell lege ich keinen gesteigerten Wert auf ein Geschenk von dir. Kannst du DAS verstehen?!« Wie zur Bestätigung verpasse ich dem deformierten Päckchen einen Tritt. Autsch! Barfuß. Keine gute Idee. Bevor meine Hand jedoch ein Eigenleben entwickelt und Alan über seine vollen Lippen kratzt, gehe ich zum Fenster und blicke hinaus, versuche, meinen Atem zu einer normalen Frequenz zu bewegen. »Und jetzt geh! Ach, nein, warte!«
Mit einem kurzen, jedoch kraftvollen Ruck reiße ich mir die silberne Kette mit dem Herzanhänger vom Hals und werfe sie ihm durch die offen stehende Schlafzimmertür hinterher. Doch sie erreicht ihn nicht. Schlimmer noch, er hat es nicht mal mitbekommen, denn in diesem Moment höre ich die Tür zuschlagen.
Und lasse einen Wutschrei los. So schnell ich kann, rase ich in den Flur, hebe die Kette vom Boden auf, stürme zum Fenster im Wohnzimmer und reiße es auf. Gerade noch rechtzeitig, Alan steht bereits vor seinem Wagen.
Mit Wucht schleudere ich die Kette hinunter. Sie landet direkt auf dem schwarz glänzenden Dach des Autos.
»Hier! Die kannst du deiner neuen Flamme schenken!«
Ohne eine Antwort von ihm abzuwarten, schließe ich das Fenster wieder, allerdings so fest, dass die Scheiben wackeln.
Egal. Was ist schon gesprungenes Glas gegen ein zerbrochenes Herz?
»So eine Scheiße!«, fluche ich. Gleichzeitig macht sich eine innere Leere in mir breit. Verdammt! Ich bin doch irgendwie noch gar nicht richtig in Nottingham angekommen. Und warum bin ich überhaupt ausgerechnet nach Nottingham? Warum bin ich mit May in diesen beschissenen Pub und musste dort Alan kennenlernen? Bei jeder Frage trete ich gegen irgendetwas. Der Korb, in dem ich die Zeitschriften der Redaktion sammle, bei der ich arbeite, ist härter als gedacht.
Ach, wäre ich doch nur in Florida geblieben! Warum bin ich nur in das kalte England gezogen? Ja, weil May hier lebt, klar. May, mit der ich aufgewachsen bin, die vor zwei Jahren Amerika verließ, um ihre große Liebe zu heiraten, und ein Jahr später von dem Typ wieder verlassen wurde.
Ja, vielleicht wegen May.
Insgeheim muss ich allerdings zugeben, dass ich in Florida niemanden mehr habe. Meine Mutter ist nicht mehr am Leben und mein Vater, der Mistkerl, lebt irgendwo in Argentinien mit einer rassigen Schönheit. Und im Prinzip bin ich Florida überdrüssig geworden. Ich musste einfach weg von meiner Vergangenheit, weg von den Plätzen, die voller Erinnerungen stecken. Und May hatte gesagt, Nottingham wäre ein guter Ort zum Leben.
Und sie hat recht behalten. Die großen Supermärkte Sainsborough oder Tesco sind der absolute Knüller, die Auswahl dort ist riesig und international. May hatte mir bei meinem ersten Einkauf ein Glas des landestypischen Marmite in den Einkaufswagen gelegt. Eine Art Würzpaste, die spontan an Pflaumenmus erinnert, aber schmeckt wie Schafskacke. Sie wird von den Briten als Brotaufstrich benutzt, aber auch als Würzmittel für Suppen verwendet oder als klare Brühe getrunken. Und ich könnte schwören, als Maske aufgetragen vernichtet sie jeden Pickel, noch bevor dieser daran denken kann, an die Hautoberfläche zu treten. Das Zeug soll auch gegen Mücken helfen. Eines steht fest, ich fasse das Glas nicht mal mit der Kneifzange an. Dafür hat Nottingham einen fantastischen Shopping District und wirklich schöne, alte Gebäude aus Ziegelsteinen in der Umgebung am Kings Walk. Eine völlig andere Welt für mich.
Als May zum guten Schluss wie beiläufig erwähnt hatte, dass nur eine knappe Autostunde entfernt das berühmte Burghley House zu finden sei, war ich schließlich überredet, nach Nottingham zu ziehen.
Das Burghley House! Dort, wo Szenen aus »Stolz und Vorurteil« gedreht wurden. Mein absoluter Lieblingsfilm, den ich mir jedes Jahr mindestens einmal ansehen muss. Mindestens! Darüber hinaus ist auch London nicht weit entfernt und mit dem Zug in circa zwei Stunden zu erreichen.
Keine Frage, Nottingham ist tatsächlich ein guter Ort zum Leben. Zumindest war er das ganze neun Monate lang. Bis jetzt! Jetzt hat auch dieser Ort eine schlechte Erinnerung, die erste. Wie grauenvoll.
Ich beschließe, mich hemmungslos zu bemitleiden, denke an eine Szene aus »Stolz und Vorurteil« und fühle mich plötzlich furchtbar alleine.
Mich selbst quälen kann ich gut.
Schniefend wische ich mir mit einem Zipfel des Betttuches die Wangen trocken und gehe zurück ins Schlafzimmer. Da liegt es, das Päckchen, auf dem Boden. Was wohl darin ist? Es hat geklirrt, als es auf die Wand auftraf. Ich werde es öffnen und mir den Schmuck oder die Uhr oder was auch immer Wertvolles ich gegen die Wand gepfeffert habe, ansehen.
Wie in Trance gehe ich in die Hocke und meine Hand zuckt zu dem Päckchen. Hektisch reiße ich die durchnässte Verpackung auf. Nass? Dann ist es sicher kein Schmuck.
Kurz darauf drehe ich das zerbrochene Geschenk in meinen Händen und muss mich erst einmal sortieren. Das hätte ich ihm nun wirklich nicht zugetraut!
Eine Schneekugel! Mit allem hätte ich gerechnet, aber nicht mit so einem geschmacklosen Teil. Ich meine, es gibt zwei Arten von Schneekugeln: die schönen und die anderen. Das hier war definitiv eine von den anderen. Das Glas der Kugel war gebrochen und die Flüssigkeit sowie weiße Kügelchen haben sich auf dem Dielenfußboden verteilt.
Gott, ist das Teil kitschig. Und irgendwie niveaulos. Gekauft, ohne nachzudenken oder sich in sie, Sarah, hineinzufühlen. Glaskugel mit Hirsch. Danke auch, Mr. Alan Arschloch! Dieses Ding hatte es ganz klar verdient, an der Wand zu landen.
Ich seufze, entsorge das Geschenk im Müll und wische mit einem von Alans Handtüchern den Boden trocken. Wie konnte ich nur davon ausgehen, mit einem Ortswechsel würden sich meine Probleme in Luft auflösen? Schon wieder habe ich mich in einem Mann getäuscht. Nur diesmal hatte es sich anders angefühlt. Mit Alan hätte ich mir eine Zukunft vorstellen können. Irgendwie …
Jede einzelne Pore scheint mit Schmerz vollgestopft. Ganz im Gegensatz zu meinem Magen, der sich wie eine leere Höhle anfühlt. Wenn ich hineinschreien würde in diesen Hohlraum, gäb’s wahrscheinlich ein Echo.
Alan ist weg, weg, weg …
Super, Sarah! Neun Monate Nottingham, und gleich der erste Mann ist ein Griff ins Klo. Wie überaus bewusstseinserweiternd! Warum hat er mir nicht einen spitzen Eispickel geschenkt? Der wäre nicht zerbrochen und hätte sich ausgesprochen gut geeignet, Alans stets glatt rasiertes Gesicht zu zerkratzen.
Ach, ich sollte nicht so einen Schwachsinn denken.
Meine Füße fühlen sich wie Eiszapfen an und haben mit dem aktuellen Aggregatzustand meines Herzens somit mehr gemeinsam, als ich mir wünsche. Unschlüssig, ob ich versuchen soll, zu schlafen oder in einen Putzwahn zu verfallen, schleiche ich in die Küche hinüber. Zeitgleich schimpfe ich mich eine Idiotin, weil ich mich bemühe, leise zu sein, um die Nachbarn nicht zu wecken. Schließlich sind Alan und ich die halbe Nacht alles anderes als still gewesen. Die Röte steigt mir bei der Vorstellung ins Gesicht, dass die Nachbarn uns gehört haben könnten. Die Wände des alten Hauses sind zwar dick, die Böden und Decken jedoch tatsächlich noch mit Stroh gefüllt. Gerade dann, wenn alles schläft, kann man jedes Geräusch hören. Nicht von ungefähr höre ich fast jede Nacht den Mittfünfziger über mir pünktlich morgens um fünf Uhr die Toilette aufsuchen und sich anschließend überlaut schneuzen.
Bis auf die Tatsache, dass ich wieder Single bin, habe ich wenigstens mit der Wohnung Glück gehabt. Das Haus ist in einem ganz passablen Zustand, die Sandsteinfassade hübsch anzusehen und im Sommer ranken sich seitlich der Tür rote Rosen in die Höhe. Das Treppenhaus duftet immer nach Lavendel, weil die alte Dame von der ersten Etage kleine Säckchen an die Flurfenster hängt. Ja, ich bin froh, diese hübsche Wohnung im dritten Stock gefunden zu haben. Auch wenn sie keinen Balkon hat, aber dafür große quadratische Räume und hohe Decken. Obendrein bin ich erleichtert, dass ich mir drei Zimmer am Rande Nottinghams mit dem schmalen Redaktionsgehalt überhaupt leisten kann. Nicht zuletzt ist es ein absoluter Glücksgriff, einen kurzen Weg in die Redaktion und zudem eine gute Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin zu haben.
Insgesamt kann ich mit meiner Situation rundum zufrieden sein, oder?
Was will ich eigentlich in der Küche? Ach ja, Tee trinken.
Meine Finger greifen zum Wasserkocher, füllen Wasser ein und drücken auf den Knopf, als gehörten sie nicht zu mir. In Gedanken versunken, sehe ich mir dabei zu, wie ich wenig später kochendes Wasser, einen Teebeutel, Zitrone und viel Zucker in eine Tasse gebe und exakt drei Minuten warte, die der Tee zum Ziehen braucht. Dann trinke ich ihn in kleinen Schlucken aus. Dabei sitze ich immer noch ins Betttuch gewickelt in der Küche auf einem Stuhl und starre teilnahmslos an die gegenüberliegende Wand.
Endlich wird es draußen heller. Ich greife zum Telefon.
Nach unendlich langen drei Freizeichen wird abgenommen, und noch bevor ich etwas sagen kann, sprudelt May los: »Sarah? Seit wann bist du so früh wach? Es ist Sonntag! Bist du aus dem Bett gefallen?« Die Stimme meiner Freundin May klingt besorgt. Im Hintergrund höre ich Besteck klappern und die kleine Gwen schreien.
»Ja, so kann man es auch ausdrücken. Störe ich dich etwa, May? Bist du gerade mit Gwen beschäftigt?«
»Nein, du störst nicht. Und ja, Gwen ist seit einer Stunde mopsfidel. Sie hat Hunger, will aber ihren Brei nicht. Moment …«
Leicht amüsiert lausche ich, wie May mit sanfter Stimme ihrem sechs Monate alten Töchterchen versucht eine zerdrückte Banane schmackhaft zu machen. Offenbar mit Erfolg. Denn kurz darauf höre ich ein vergnügtes Quietschen von Gwen.
»Sie mag im Moment nur Bananen«, seufzt May. »Nun zu dir. Was ist los? Normalerweise kommst du vor zehn Uhr nicht aus den Federn.«
Schlagartig platzt die ganze Enttäuschung aus mir heraus. »Alan hat mich verlassen. Und er hat mir eine hässliche Schneekugel mit einem Hirsch darin geschenkt. Hab sie an die Wand geworfen.«
»War mir klar.«
»Dass ich die Schneekugel an die Wand werfe?«
»Nein, dass dieser Idiot nichts taugt. Aber du hörst ja nicht auf mich, hast du noch nie getan.«
»Ein blöder Zeitpunkt, mir das hinzuknallen, May!«
»Tut mir leid.«
»Ja, genau das hat er auch gesagt. Ich hätte ihm eine runterhauen sollen, dann ginge es mir jetzt besser.«
»Du hast ihm keine verpasst? Unglaublich! Hör mal, Süße. Dieser Alan war ein selbstverliebter Schönling – nein, sag jetzt nichts – und ein Herzensbrecher noch dazu. Du hast etwas Besseres verdient. Hey, du bist erst Anfang zwanzig, neu in der Stadt und im Begriff, dich in der Zeitungsredaktion nach oben zu arbeiten. Konzentriere dich doch mal auf dich selbst, du hast Zeit genug, den Richtigen zu finden.«
»Mir jetzt mit einer neuen Liebe zu winken, ist ziemlich fehl am Platz.«
»Möglich, aber durchaus wirklichkeitsnah. Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend an der Eislaufbahn treffen? Ich kann die Tochter des Nachbarn fragen, ob sie Gwen ins Bett bringt und bei ihr bleibt, bis ich zurückkomme. Und wir beide schnallen uns die Schlittschuhe um und trinken anschließend was an der Bar. Da kannst du Glühwein in dich reinschütten, bis es dir egal ist, wer Alan ist, und dann schläfst du bei mir. Einverstanden?«
»Du willst mit mir Schlittschuhlaufen gehen? Ich weiß nicht, ob ich mir das heute geben soll.« Heftig putze ich mir die Nase mit einem der Papiertücher, die immer griffbereit auf dem Küchentisch liegen.
»Alles ist besser, als zu Hause zu versauern und die Nase in das Kopfkissen zu stecken, das noch nach ihm riecht.«
»Von mir aus«, schniefe ich. »Schlafen will ich dann aber doch lieber bei mir. Morgen früh muss ich in die Redaktion.«
Mehr noch, ich muss heute ganz dringend noch mein Bett neu beziehen und alles, was mich an Alan erinnert, entfernen. Seine Fotos, sein Rasierwasser, seine Handtücher. Seinen Duft.
»Wenn du meinst … Oje! Sarah, wir sehen uns heute Abend. Gwen hat sich die Banane im ganzen Gesicht verteilt. Muss Schluss machen.«
Im selben Moment höre ich ihre Tochter vergnügt lachen und noch bevor ich antworten kann, hat May aufgelegt.
Unverhofft schiebt sich ein diffuser, heller Strahl durch das Küchenfenster. Ich blinzele. Sonne? Na, endlich, das wird ja auch mal langsam Zeit, denn seit fast einer Woche schaffen es die wärmenden Strahlen nicht durch die dicke, tief hängende Wolkendecke. Fast wie ein Zeichen, oder?
Alan weg, Sonne da!
Mit beiden Händen streiche ich mir die Haare aus dem Gesicht, komme in die Höhe und öffne das Fenster.
Eine Weile stehe ich einfach nur so in dem dünnen Betttuch und mit geschlossenen Augen da und atmete die frische Winterluft ein.
Das untrügliche Gefühl einer Neuordnung meines bisherigen Lebens, ohne dass ich es irgendwie beeinflussen kann, breitet sich in mir aus.
Hastig schließe ich das Fenster wieder und verfalle in einen für mich eher untypischen Putzwahn. Zuerst muss Alans Zahnbürste weg. Und sein Rasierwasser. Ab damit in den Müll!
Ganz klar eine Übersprunghandlung, aber es hilft ja nichts, alle Erinnerungen an Alan müssen rückstandslos und endgültig entfernt werden. Insbesondere die gemeinsamen Bilder!

Bestseller New year love Nottingham Bad Boy Jo Berger

Ich hoffe, der Anfang des Romans hat dir gefallen, und du bist jetzt neugierig, wie es weitergeht.

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