Leseprobe Dear Mr. Stranger: Verliebt in einen Fremden

Leseprobe Neu Bestseller Liebesroman 2020 Stranger Jo Berger

Seit fast drei Monaten bin ich jetzt an der Küste Kaliforniens, und keinen Schritt weiter.
Das neue Leben habe ich mir anders vorgestellt. Erfolg, Geld, eine hübsche, helle Wohnung und einen Mann an meiner Seite, mit dem ich glücklich sein kann. Das war so die Wunschvorstellung, als ich nach Long Beach gezogen bin. Tja, was soll ich sagen? Durch das Fenster bietet sich mir die Aussicht auf ein Backsteingebäude, das Bad ist selbst für eine Person zu klein, dafür ist das Sofa riesig und fast neu – und die Bude ist günstig. Leider trotzdem noch zu teuer, wenn ich nicht bald eine neue Anstellung finde.
Aktuelle Gesamtlage: Job angetreten, Job verloren. Und allmählich wird das Geld knapp.
Fazit: Es ist alles schrecklich kompliziert!
Im Prinzip wäre jetzt der Zeitpunkt zurückzukehren, doch so schnell gebe ich nicht auf! Außerdem liebe ich das Flair von »The International City« – dem Zweitnamen von Long Beach. Ein ganzes Jahr, unzählige Bewerbungen und neun Stunden hat es gedauert, meinem Heimatdorf den Rücken zu kehren und in der Küstenstadt zu landen. Von dreitausend Seelen auf über eine halbe Million Einwohner.
Puh. Da weht ein ganz anderer Wind, aber er ist neu und erfrischend. Im Gegensatz zu dem verschlafenen Cottonwood gibt es hier ein lebendiges Downtown, kilometerlange Sandstrände, einen Yachthafen – und jede Menge Menschen aller Nationalitäten.
Gott, und wie ich es liebe, barfuß am Meer spazieren zu gehen und mir den Wind durch die Haare pusten zu lassen. Zum Beispiel am Beach in Orange County, an dem sich sexy Surfer tummeln.
Die Wahl fällt schwer. Strand, Boulevard oder doch die vielen Clubs und Bars in der 2nd Street und Pine Avenue? Am liebsten würde ich alle Plätze auf einmal besuchen. Das neue Lebensgefühl ist einfach nur fantastisch. Anders als in Cottonwood ist hier immer irgendwo was los.
Und das Beste: Die Stadt liegt nur eine knappe Stunde Fahrt von Los Angeles entfernt.
Oh ja, ich habe mich richtig entschieden. Seit ich hier bin, fühle ich mich frei, überwältigt von Eindrücken und tausend Ideen, was ich alles tun kann.
Manchmal setze ich mich einfach an den Hafen oder schlendere den Boulevard entlang, lasse das geschäftige Treiben auf mich wirken, und spüre deutlich, dass ich hierher gehöre, dass etwas ganz Großes auf mich wartet. Jetzt endlich steht mir die Welt offen.
Nein, ich kehre nicht zurück! In Cottonwood hatte ich von Monat zu Monat mehr das Gefühl, zu ersticken. Ich will nicht glauben, dass meine Zukunft in einer alten Postkutschenstadt liegen soll, in der jeder jeden kennt, und sich die Tage anfühlen, als hätte man sie schon hundertfach erlebt. Das muss man mögen. Meine Freundin Mary mag es.
Sie hat ihre erste Liebe Brad geheiratet und ist letztes Jahr Mutter eines Mädchens geworden. Sie liebt die Beschaulichkeit und die Routine des Dorflebens. Ich dagegen hatte bereits früh den Wunsch, mehr zu sehen als Staub, Kühe und Souvenirshops für die Handvoll Touristen im Jahr. Sicher, die Natur ist allgegenwärtig, das Leben langsam und friedvoll. Will man Action, besucht man den Anderson River Park am Sacramento River. Er ist nur ungefähr fünfzehn Autominuten entfernt. Dort gibt es Wanderwege, Kinderspielplätze, Grillplätze, Angeldocks, Pavillons, ein Amphitheater und ruhige Bereiche mit Bänken um den Fluss. Ab und zu tritt mal eine Band auf. Aber das war es dann auch schon in Bezug auf unterhaltungstechnische Vielfalt. Als Kind war ich mit meinen Eltern oft dort – dementsprechend kenne ich im Park jeden Weg und jeden Stein. Nicht wirklich aufregend.
Was ich allerdings nicht auf dem Schirm hatte: Der Wahnsinn einer Großstadt beginnt bereits bei den einfachsten Dingen – also im Vergleich zu Cottonwood. Zum Beispiel bei der Suche nach einem Discounter
Im Dorf gibt es einen Lebensmittelladen, eine Bäckerei und einen Bauernmarkt. Fertig. Für alles andere muss man über eine Stunde in die nächste Stadt fahren. Long Beach dagegen erschlägt mich fast mit seinen unzähligen Einkaufszentren, Mega-Stores, Foodcourts, Street Food Markets, Pop-up-Stores und Läden für spezielle Einkäufe. Da fällt die Entscheidung schwer.
Erfreulicherweise liegt gleich um die Ecke meiner Wohnung in North Pine einer dieser kleineren Supermärkte. Trotzdem war ich beim ersten Besuch hoffnungslos überfordert. Ich bin nicht gerade der entscheidungsfreudigste Mensch der Welt und habe ratlos vor einem Regal mit unterschiedlichen Chipssorten gestanden. Und mal ehrlich: Wer zur Hölle braucht einundzwanzig verschiedene Marken Salted Chips? Ich habe nachgezählt!
Okay, tief durchatmen. Ich bin allein in einer großen Stadt, habe keinen Job, keine Freunde und kann mich, verdammt noch mal, nicht mehr erinnern, ob es der Salted Cream Cheese oder der Cheesy Cream Pepper war, der mir besser geschmeckt hat.
Fakt ist: Ich brauche dringend einen Job. Die eiserne Reserve ist bald aufgebraucht, und dann nützt mir eine vielfältige Chipsauswahl nichts, denn dann kann ich mir keine Chips mehr leisten.
»Hey! Hey, Sie!«, ruft plötzlich eine Stimme hinter mir und reißt mich aus den Gedanken.
Irritiert blicke ich über die Schulter und stelle fest, dass tatsächlich ich gemeint bin.
Eine ältere Dame sieht mich direkt an. Und kommt auf mich zu. Was will die denn von mir? Ich merke, wie ich sie anstarre, als wäre sie eine Erscheinung. So geht man doch nicht einkaufen, höchstens in ein Theater oder auf eine Vernissage.
Behängt mit reichlich, feingliedrigen Goldketten über einem vanillefarbenen Edelkostüm streicht sie mit flacher Hand und abgespreiztem Finger über ihre silbergraue, perfekt sitzende Hochfrisur. Ihre Mimik ist ähnlich die meiner Mutter, wenn sie kurz davor ist, mir eine Moralpredigt zu halten. Anders als Mom jedoch strahlt diese Frau eine Würde aus, als hätte sie es zu erheblicher Prominenz gebracht und Generationen geprägt – und wäre nur ausnahmsweise hier, weil der Butler oder der Chauffeur gerade unpässlich sind.
Die Lady spricht mich an. »Hören Sie, junge Dame, ich …«.
Was immer sie von mir will, es klingt nicht danach, als wolle sie mich fragen, wo die Trüffelpralinen liegen. Außerdem ist heute verdammt noch mal nicht der Tag, mich blöd anzumachen! Ich habe kaum geschlafen, weil ein kläffender Hund die ganze Nachbarschaft wach gehalten hat, aus dem Briefkasten habe ich acht Absagen auf meine Bewerbungen gezogen und die heiß geliebte Chocolate Chip Eiscreme von Jerry’s, ist alle!
»Haben Sie ein Problem?«, erwidere ich missmutig.
»Erst dann, wenn Sie den Inhalt meines Einkaufswagens an der Kasse bezahlen.«
Sie steht jetzt vor mir und ich muss auf sie herunter sehen, weil sie mir nur bis zum Kinn geht – und das mit hohen Schuhen. Ihre Augen blitzen belustigt. Sofort legt sich meine miese Stimmung, denn schlagartig mag ich diese Frau. Was hat sie gerade gesagt?
Langsam tröpfeln mir ihre Worte in die Synapsen und mein Blick schießt zum Wagen neben mir.
»Ihr Einkaufswagen?« Von einer Sekunde auf die andere glühen mir die Wangen. »Oh, das war unabsichtlich. Tut mir leid, ich …«
Zu allem Überfluss und zuverlässig wie das Amen in der Kirche meldet sich mein Schluckauf, wie immer, wenn ich unter Spannung stehe.
Verschämt lächelnd presse ich die Hand auf meinen Mund und hebe entschuldigend die Schultern.
»Du liebe Güte, alles in Ordnung?«, fragt sie erstaunt.
»Nervöser … hicks … Schluckauf … hicks … Ach, hicks, verdammt!«
»Sie sind ja ganz schön durcheinander«, stellt sie treffsicher fest und sieht mich besorgt an. »Geht es Ihnen gut?«
Ich nicke, während ich mir weiterhin die Hand auf den Mund presse und stelle resigniert fest, dass mir nun auch noch Tränen in die Augen schießen.
Die Dame hebt ihre sorgfältig gezupften Augenbrauen und legt eine Hand auf meinen Unterarm. »Darf ich mich vorstellen? Ich bin Louise. Und wir beide gehen jetzt erst mal eine schöne Tasse Tee trinken, ja?«

Leseprobe Neu Bestseller Liebesroman 2020 Stranger Jo Berger

»Du kommst mit zu mir!«
Meine Hände kneten den Po einer Frau, die so unverhohlen über mich herfällt, dass ich gar nicht anders kann, als ihr dieses Angebot zu machen.
Wir stehen an der provisorisch zusammengezimmerten Theke im Hauptquartier, eine verlassene Fabrikhalle an einem Containerfriedhof auf Terminal Island, nicht weit von Long Beach entfernt.
Die Luft ist geschwängert von Rauch, Rockmusik dringt aus den Lautsprechern und am Billardtisch spielen vier Männer gegeneinander. Allesamt tragen sie Jeans, Muscleshirts und ihre Oberarme sind mit Tattoos übersät. Drei von ihnen haben Bierflaschen in der Hand, einer stößt gerade eine Kugel an, in seinem Mundwinkel hängt eine Zigarette. Eine Frau steht dabei und feuert ihn an. Wenige Schritte vor der Theke vögeln zwei auf einem abgewetzten Sofa und geben sich größte Mühe, die Musik zu übertönen.
Normalerweise bewege ich mich nicht in solchen Kreisen, aber um an Informationen zu kommen, springe ich gelegentlich über meinen Schatten. Eigentlich hätte Pablo hier sein sollen. Er hat eine wichtige Information für mich. Es geht um einen neuen Kunden. Nun, er ist nicht da, stattdessen dieses Weib, das sich bereits wie eine Ertrinkende auf mich gestürzt hat, als ich die Höhle betreten habe.
Kann ich verstehen, mein Ruf eilt mir voraus.
Es ist besser, zu mir zu gehen.
»Jetzt gleich?«, gurrt sie, legt ihren Kopf in den Nacken und sieht mich mit verschleierten Augen an. Sie ist leicht betrunken, und das mitten am Tag. Der jedoch hält keinen Einzug in diesen dunklen Raum. Fest presst sie ihren Unterleib gegen meinen und leckt sich über die roten Lippen.
Ich habe keine Ahnung, wie sie heißt, es ist mir auch herzlich egal. Namen sind hier nicht von Bedeutung. Jetzt will ich mir Erleichterung verschaffen, denn es ist schon ein paar Tage her, dass ich eine Frau unter mir hatte. Zwar hatte ich das nicht im Sinn, als ich hierher gekommen bin, doch was soll ich tun, wenn ein scharfes Weib, nur mit knappen Shorts und bauchfreiem Top, mir einfach so an die Hose geht?
Und diese Rothaarige lässt sich wahrscheinlich auf alle meine Wünsche ein. Und genau das brauche ich jetzt, insbesondere vor dem Hintergrund, dass mein letztes Erlebnis in dieser Beziehung eher ernüchternd gewesen ist. Unerwartet hat sich die Frau in mich verliebt – und so etwa kann ich im Moment wirklich nicht brauchen, zudem sie sowieso nicht in die engere Wahl gekommen wäre.

In meinem Apartment angekommen, kniet sie sich sofort vor mich und öffnet den Reißverschluss meiner Jeans.
»Hör zu«, raune ich und stöhne auf, als sie meine Erektion befreit. »Keine Beziehung, dass das klar ist.«
»Völlig klar.«
Dann nimmt sie ihn in den Mund und ich vergesse alles, bin nur noch Mann.
Doch kurz bevor ich in ihr explodiere, klingelt mein Handy.
Verdammte Scheiße! Ausgerechnet jetzt.
Der Job ist wichtiger, so schwer es mir auch fällt.
Mit einer Hand ziehe ich die Rothaarige an den Haaren zurück, mit der anderen das Handy aus der Hosentasche.
»Verflucht! Nicht mal in Ruhe vögeln kann man hier!«, brumme ich unwirsch. »Was ist?«
Pablo ist am Telefon. Er lacht kehlig, informiert mich knapp über den neuen Kunden und legt auf.
Grimmig stecke ich das Handy wieder weg. Ich muss meinem Kollegen Bescheid sagen. Sofort.
Entschlossen sehe ich nach unten.
»Du kannst gehen. Ich habe etwas zu erledigen.«
»Okay.« Sie zuckt mit den Schultern, steht auf und schultert ihre Handtasche. »Fährst du mich zurück?«
»Keine Zeit.« Ich ziehe ein paar Scheine aus dem Geldbeutel und stecke sie ihr in den Ausschnitt. »Halte dir unten einfach ein Taxi an.«
Sie nimmt das Geld wieder heraus und zählt nach. »Oh, sehr großzügig. Das ist viel zu viel. Aber danke.«
Mit einem breiten Grinsen zwinkert sie mir zu und verlässt mit aufreizendem Hüftschwung das Apartment.
Ich stoße die Luft aus und fahre mit der Hand durch meine Haare. Dann rufe ich Milo an.
Er ist jedoch außer Haus, nicht erreichbar. Ich bitte um Rückruf, es wäre dringend.
Angespannt sehe ich auf die Uhr.
»Fuck!«
Siedend heiß fällt mir ein, dass ich noch einen Besuch abstatten muss. Und dazu sollte ich frisch aussehen, die letzte Nacht habe ich kaum geschlafen.
Noch im Wohnzimmer ziehe ich mich aus und gehe hinüber ins Bad.
Das heiße Wasser belebt meine Sinne, perlt von meiner harten Brust ab und langsam kehren die Lebensgeister wieder.

Ich hoffe, der Anfang des Romans hat dir gefallen, und du bist jetzt neugierig, wie es weitergeht.

Deine

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