Ein Hauch von Duft und Erinnerung
Gibt es Düfte, die dich an vergangene Zeiten erinnern? Vielleicht an einen wunderbaren Augenblick deiner Hochzeit? Oder an den miefigen Duft im Zeltlager, als du ein Teenager warst? Den Duft von Sauerbraten mit Knödel bei Oma oder an einen den Geruch feuchten Sandsteins im Keller deines Elternhauses? Das Aftershave deines Ex, die Blumenwiese am See, das Aroma des Herbstlaubes in einem für dich wegweisenden Spätjahr, das Rasierwasser des Buchhändlers, dass dich sofort zurückbeamt in die Arme deines Vaters oder der Geruch und Geschmack von Waldmeister. Vielleicht auch das Aroma einer alten Buchhandlung, der holzige, leicht vanillige Duft von Buchseiten. Es gibt so viele Düfte, die uns ein Leben lang begleiten. Manche von Ihnen sind tief in uns verborgen.
Große Dichter, Denker und Schriftsteller wissen um den Zauber des Duftes in uns:
Der Duft der Dinge ist die Sehnsucht,
die sie uns nach sich erwecken.
(Christian Morgenstern (9.5.1871-1914).
Auch Marcel Proust beginnt seinen Roman »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit« mit dem Duft- und Geschmackserlebnis eines Madeleines. Zurück zu Marcel – der Duft der Madeleines erinnert ihn an ein Erlebnis in seiner Kindheit. Madeleines sind ein französisches Gebäck – superlecker, verführerisch … und kalorienreich. Ich mag sie mit Puderzucker, meine Freundin liebt es, sie in Zimt und Zucker zu wälzen.
Es gibt so viele Düfte, die mich selbst an Situationen erinnern, die ich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm hatte. Kaum ist solch ein Aroma – wenn auch nur ein ähnliches – an meiner Nase vorbeigehuscht, schießt die Erinnerung ins Hirn.
Ein Duft – fest verwoben mit der Kindheit
Klosterfrau Melissengeist und Köllnisch Wasser zum Beispiel erinnern mich an meine Großmutter. Sie hat dieses Zeug vergöttert und es war ein fester Bestandteil in allen Räumen ihres kleinen Hauses, in ihrer Kleidung, an ihr selbst. Sie hat diesen Melissengeist zu sich genommen, wenn sie wetterfühlig war, bei Magengrummeln – und für die Nerven. Rieche ich einen dieser beiden Aromen zufällig, sind die Bilder und auch die Gefühle wieder da. Für einen wunderbaren Moment werde ich dadurch in meine Kindheit zurückversetzt. Das fühlt sich gut an, denn mit dem Hauch dieses Duftes ist viel Liebe und Geborgenheit verbunden.
Es ist schon eine geniale Einrichtung der Natur, dass wir in der Lage sind, Emotionen hervorzurufen. Und zwar ohne dass wir diesen Moment aktiv anstreben. Einfach so – durch einen Duft, der uns streift. Oder auch durch Musik, einen bestimmten Geschmack. Unsere Sinne können Dinge in uns erwecken, die tief verborgen sind. Natürlich gibt es nicht nur positive Erinnerungen, leider, wäre aber auch zu schön, oder? Mich schüttelt es zum Beispiel jedes Mal, wenn ich ein bestimmtes Aftershave rieche – kommt zum Glück mit einer Wahrscheinlichkeit im Promillebereich vor.
In diesem Text bleibe ich bei den positiven Erinnerungen. Einfach, weil es schöner ist, sich an Schönes zu erinnern.
Ein Hauch von Duft nur …
Hat der Sommer einen Duft? Vielleicht der Geruch eines Pinienwaldes am Rande eines Zeltplatzes irgendwo am Mittelmeer? Ein Kornfeld, eine bestimmte Sonnenmilch, Wassermelonen, Zitronenlimonade. Situationen, einhergehend mit großen Gefühlen werden immer von irgendetwas begleitet. Wie etwa von einer wegweisenden Nacht mit einem Menschen, den man gerade kennengelernt hatte.
Es war klirrend kalt, Schneeflocken rieselten leise herab, irgendwo brannte eine Honigkerze, das Kaminfeuer knisterte, begleitet vom Geschmack warmen, süßen Früchtetees und leiser klassischer Musik von Debussy im Hintergrund. Oder auch »Last Christmas« von Wham oder »Coming home for christmas« von Chris Rea.
Irgendwann werden die Zutaten dieser Nacht entweder einzeln für sich stehend oder in Kombination die Erinnerung daran wachrufen – selbst Jahrzehnte später. Und dann wird uns ein Lächeln ins Gesicht und ins Herz gezaubert.
Tiefe Emotionen haben offenbar ihre ganz eigenen Keywords, die wir im Laufe der Zeit mit neuen Empfindungen, Erinnerungen und Bildern überlagern. Und doch sind große Momente für immer in uns gespeichert. Durch ihre spezifischen Düfte, ihre Musik oder ihren Geschmack können sie wieder in uns geweckt werden. Wie schön.
Jedes große Gefühl hat sein eigenes Bouquet
Diese Gedanken hatte ich in einem Moment der Erinnerung an eine vergangene Winterliebe. In mir ploppte eine Frage auf:
Hat Schnee einen Duft? Oder Glück? Ja, warum nicht? Ich bin mir sicher, jedes große Gefühl hat sein eigenes Aroma, seine Musik, seinen Geschmack. Mal scharf, mal bitter oder süß. Manchmal kommt es mit der Stärke eines Sturms, vielleicht ist es aber auch nur ein Hauch. Doch egal wie, es nistet sich in dir ein und bleibt für alle Zeit unvergessen.
Und so kam mir nicht nur die Idee zu meinem neuen Roman, auch zu seinem Titel: „Ein Hauch von Schnee und Glück.“
(Erscheint am 26.12.2019)
In diesem Sinne – Alles für die Sinne
Eure Jo