„War mein erster Eindruck so schlimm?“, höre ich ihn fragen, kaum dass ich mich von ihm abgewandt habe.
Ich halte inne und sehe ihn wieder an. „Inwiefern?“
„Offenbar haben Sie vorhin gehört, was ich gesagt habe.“
„Sie meinen, was Sie von einer Frau erwarten? Ja, das ließ sich leider nicht verhindern.“
„Was ich mir von meiner Partnerin wünsche“, berichtigt er meine Formulierung.
Gleichgültig zucke ich mit den Achseln. „Wie auch immer.“ Erneut will ich grinsen und ermahne mich dazu, es nicht zu tun. Du fängst jetzt ganz sicher nicht an, den Wortwechsel mit diesem Kerl zu genießen, Sarah!
„Was genau hat Sie an meiner Aufzählung gestört?“, bleibt er hartnäckig.
„Die ganze Sache an sich. Es hat sich angehört, als würden Sie im Internet eine hörige Puppe zusammenstellen, die man sich dann bequem nach Hause liefern lassen kann.“
„Wirklich?“ Er legt den Kopf schräg. „Und was denken Sie, woran es lag, dass Sie mich derart missverstanden haben?“
„Äh …“ Mist! Darauf weiß ich plötzlich nichts mehr zu antworten. Er ist gut, wirklich gut. So gut, dass er mir doch glatt den Wind aus den Segeln nimmt. Habe ich ihn missverstanden? Hat er gar nichts Schlimmes gesagt? Auf einmal bin ich mir nicht mehr sicher. Aber das könnte bloß ein Trick von ihm sein. Oder?
„Finden Sie eine der Eigenschaften verwerflich, die ich aufgezählt habe?“, bohrt er weiter.
Darüber muss ich kurz nachdenken. „Eigentlich nicht“, gebe ich dann ehrlich zu.
„Jedenfalls nicht verwerflicher, als mein Gespräch zu belauschen, kann das sein?“
„Das war keine Absicht“, beteuere ich und meine das absolut ernst.
Er grinst. „Und doch ist es passiert.“
„Dann sprechen Sie nächstes Mal eben nicht so penetrant.“
Amüsiert lacht er. „Danke für den Tipp, ich werde es mir merken.“
„Ich merke es übrigens, wenn ich nicht für voll genommen werde.“
„Es liegt mir fern, Sie nicht ernst zu nehmen“, kontert er. „Aber sagen Sie mir eines: Halten Sie es wirklich für falsch, sich genau zu überlegen, was man sich in einer Beziehung wünscht und wofür man nicht bereit wäre, ehe man sie eingeht?“
Tief atme ich durch und setze nun doch wieder einen bösen Blick auf. „Sie sind doof, wissen Sie das?“
„Ja, dass Sie so über mich denken, haben Sie mir in den vergangenen Minuten auf allen nur erdenklichen Ebenen zu verstehen gegeben.“
„Dann wäre ja jetzt endlich alles geklärt, oder?“, höre ich mich entgegnen.
„Ganz und gar nicht, wir fangen gerade erst an. Ich weiß zum Beispiel immer noch nicht, ob Sie auch in den anderen Punkten, die ich aufgezählt habe, genau dem entsprechen, was mir an einer Frau überaus gefallen würde. Oder wie Sie heißen. Fangen wir damit an?“ Ehe ich antworten kann, bietet er mir seine Hand an. „Ich bin Liam.“
Ich blicke auf seine große, starke Hand. „Liam – und weiter?“
„Wieso? Möchtest du mich gleich hier googeln? Willst du damit nicht lieber warten, bis wir uns voneinander verabschiedet haben? Dann wirkt es lässiger und du hast viel mehr Zeit dafür.“
„Boah …“, murmle ich und muss mich extrem konzentrieren, um mich der Frage zu stellen, ob er doch total arrogant ist – oder einfach der coolste, wortgewandteste Mann, der mir je begegnet ist.
„Liam Campbell“, antwortet er auf meine Frage, als er merkt, dass ich nicht vorhabe, seine zu beantworten. Er hält die mir entgegengestreckte Hand etwas höher.
Aus einem Instinkt heraus lasse ich mich nun doch auf ein Händeschütteln ein. „Sarah Lewis.“
Als sich unsere Finger berühren, spüre ich, wie warm sich Liam anfühlt. Zumindest an diesem Körperteil. Das muss nicht unbedingt etwas über andere Stellen an ihm aussagen. Könnte es aber.
Herrgott, was denke ich denn da?
„Du …“, verlässt es meine Lippen. Du hast ausdrucksstarke Augen, kommt es mir in den Sinn, als wir dicht voreinander stehen und uns ansehen. Aber das werde ich ganz sicher nicht laut aussprechen.
„Ich?“
Schnell überlege ich mir eine Alternative. „Du hast vorhin davon gesprochen, dass eine Frau dich niemals manipulieren dürfte.“
„Ja, wieso?“
Ich lasse seine Hand los, als mir klar wird, dass wir uns immer noch aneinander festhalten. „Na ja, das klang ziemlich konkret.“
Ernst sieht er mich an.
„Entschuldige“, rudere ich zurück und lächle peinlich berührt. „Das war jetzt wirklich indiskret.“
„Nein, du hast recht. Damit hast du genau einen Nerv bei mir getroffen. Ich habe in der Vergangenheit so meine Erfahrungen mit einer manipulativen Frau gemacht. Mehrmals, da ich einiges habe durchgehen lassen. Das war unangenehm. Aber dadurch weiß ich für die Zukunft, wo für mich die Grenze ist.“
„Verstehe.“
Er lächelt. „Wirklich? Es folgt keine weitere Widerrede, einfach aus Prinzip?“
Da muss auch ich grinsen. „Vielleicht ist mir daran die Lust vergangen.“
„Und vielleicht will ich dich fragen, welchen Drink ich dir besorgen darf.“