Leseprobe THE CEO DEAL – Herzklopfen in Irland

von Jo Berger

Die Freunde Bowen, John und Liam besitzen alles, was sich ein Mann nur wünschen kann. Bis auf die Frau fürs Leben.
Bei einem gemeinsamen Männerurlaub schließen sie eine Wette ab: Innerhalb von 9 Monaten muss jeder seine Frau fürs Leben finden.
Ein Klacks, meint Bowen McLoughlin. Doch so einfach, wie er glaubt, ist die Sache mit der Liebe dann doch nicht. Denn Bowen muss sich kurz nach Antritt seiner Stelle als CEO eines internationalen Verlages in Irland nicht nur mit der reizvollen Businesslady Helen auseinandersetzen, sondern auch seine neue Sekretärin Penny auf Abstand halten. Denn sie ist ausgerechnet die Unbekannte, die er letzte Woche in Feierlaune geküsst hat. Dabei ist sie überhaupt nicht die Art von Frau, die ein McLoughlin heiraten würde – und Flirts am Arbeitsplatz sind für ihn tabu. Bo überlegt angestrengt, wie er das Problem aus der Welt schaffen kann, als Penny ihn auf eine Weise überrascht, die Bowen in echte Schwierigkeiten bringen kann.
Und was zur Hölle hat diese Helen mit allem zu tun?

„Du kannst deine Augen schließen, wenn du etwas nicht sehen willst, aber du kannst nicht dein Herz verschließen, wenn du etwas nicht fühlen willst. “ (Johnny Depp)

~ Bowen~


Sonnenuntergänge in Dublin sind meist wenig spektakulär.
Es regnet häufig, am Himmel hängt eine undurchdringliche Wolkendecke und oft schaffe ich es sowieso nicht rechtzeitig aus dem Büro.
Der Sundowner auf dem Indischen Ozean jedoch ist imposant. Diese Stunde des Tages liebe ich. Schade, dass morgen der letzte Tag anbricht. Der Abschied fällt uns allen dreien schwer, denn wir sind uns schon am ersten Tag einig gewesen: Segeln auf den Seychellen ist kaum zu toppen.
Wir drei – das sind nicht etwa zwei heiße Frauen und ich, sondern meine beiden besten Freunde Liam und John. Wir kennen uns seit der Kindheit, sind zusammen aufgewachsen, haben gemeinsam studiert und diverse Urlaube miteinander verbracht.
Unter anderem mit einem Katamaran im Mittelmeer. Damals noch sponsored by Daddy. Dieses Jahr bin ich dran gewesen mit der Organisation des jährlichen Treffens, und da wir bevorzugt Orte oder Aktivitäten aussuchen, die wir als Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene bereits besucht haben, fiel meine Wahl auf eine Katamaran-Tour.
Letztes Jahr verbrachten wir unsere traditionelle Woche auf der Baleareninsel Menorca, vorletztes hat uns Liam Anfang Oktober nach Kanada geschleppt. Shit, war das kalt! Das Aufflammen der Kindheitserinnerungen an den Sommer in Quebec mit unseren Familien hatte sich im Schnee nicht wirklich erfüllt. Man nennt die Hudson Bay zu Recht den Eiskeller Nordamerikas. Ein schöner Indian Summer ist es trotzdem gewesen, aber die Temperaturen um den Gefrierpunkt in den Nächten hätte ich nicht gebraucht. Aus diesem Grund habe ich mich für die Seychellen entschieden. Hier herrschen ganzjährig warme Luft- sowie Wassertemperaturen, die Inseln sind gesäumt von weißen Sandstränden und türkisblauem Wasser. Genial ist, dass vor fast jeder Insel geankert werden darf und es gestattet ist, beinahe alle Inseln zu betreten, sofern diese nicht als »Privat« ausgewiesen ist. Aber auch hier gilt: Generell sind Strände bis zum ersten Baum öffentlich. Erst dahinter beginnt Privatbesitz.
Der Monsunwechsel Anfang Oktober spielt uns erfreulicherweise in die Karten. In dieser Zeit ist das Meer besonders ruhig und klar. Perfekt zum Entspannen und Treibenlassen.
Der vorletzte Abend ist angebrochen. Wir fläzen uns auf dem Netz mit Cocktails in der Hand, blicken dösig auf die Umrisse der Insel Sainte Anne, deren Strand eingerahmt ist von Coco-de-Mer-Palmen, Zimtpflanzen und Kasuarina-Bäumen. Der Sonnenuntergang taucht die Kulisse in ein warmes Orange.
Liam seufzt auf, sagt aber nichts.
Ich stupse ihn mit dem Fuß an. »Trauerst du deiner Coco de Mer hinterher?«
Gestern hatten wir vor der Seychelleninsel Praslin geankert und am Strand Anse la Farine ein Mittagessen zu uns genommen. Nur auf dieser Insel wachsen diese Kokosnüsse, die aussehen wie ein Frauenhintern und als erotischste Nüsse der Welt gelten. Vielleicht sind sie deswegen so teuer. Vier- bis fünfhundert britische Pfund muss man lockermachen, um eines dieser fast 45-Kilogramm-Schätzchen zu ergattern. Und Liam konnte sich bei unserem Landgang an diesen sexy Nüssen nicht sattsehen.
»Da gibt es nichts zu trauen«, antwortet er schmunzelnd, den Blick auf das Meer gerichtet. »Das Baby wird mir geliefert. Fürs Handgepäck ist sie viel zu schwer. Das Geschäft habe ich klargemacht, als ihr wie kleine Jungs im Wasser geplanscht habt.«
Das ist typisch Liam, er fackelt nicht lange. Weder beruflich noch privat.
»Geplanscht …« John schnaubt verächtlich. »Wir sind um die Wette gekrault.«
Ich lache auf. »Und du hast verloren. Wie früher und wie letztes Jahr. Tja, Folk, es gibt Dinge, die ändern sich nie.«
»Dafür hänge ich dich beim Joggen ab.«
»Bei Gelegenheit ärgere ich mich darüber.« Ich nippe am Cuba Libre. »Aber jetzt nicht. Morgen La Digue und dann gehts zurück in die Kälte.«
»Ich könnte es noch eine Woche länger aushalten«, bemerkt Liam. »Gute Idee von dir, den Katamaran zu chartern.«
John brummt zustimmend, hebt seine Bierflasche und ich blinzele nachdenklich in die untergehende Sonne.
Morgen liegt die letzte Etappe vor uns. Wir werden den Hafen La Passe ansteuern, einen der traumhaften Sandstrände besuchen und abends im Beachclub chillen.
Die Freiheit auf dem Wasser hat uns diese Woche den Alltag vergessen lassen. Keinen Stress, keine Termine, keine Verpflichtungen. Raus aus der Routine. Wir haben uns zeitweise gefühlt wie die Halbstarken von damals. Lediglich etwas ruhiger und gesetzter, eben altersgerecht. Ich erinnere mich noch gut an unseren ersten Katamarantörn. Knapp zwanzig Jahre sind wir gewesen, hatten vor nichts Angst und dadurch die ein oder andere brenzlige Situation provoziert. Waren wir doch überzeugt, jede Schwierigkeit im Alleingang zu meistern.
Die Erinnerung an diese Zeit und wie sie abrupt geendet hat, lässt mich leise kichern.
Liam dreht den Kopf zu mir und zieht eine Braue hoch. »Zu viel Cuba Libre oder was ist so lustig?«
Ich setze mich auf. »Könnt ihr euch an Menorca erinnern? Würdet ihr euren eigenen Kindern so einen Trip bezahlen? War ja nicht gerade billig.«
»Bist du verrückt?« John setzt sich ebenfalls auf. »Wenn ich daran denke, was wir alles angestellt haben …«
Liam grinst von einem Ohr zum anderen. »Zum Beispiel, als wir Grundberührung vor der Steilküste hatten. War witzig.«
»Nicht für deine Freundin«, füge ich hinzu. »Und für uns auch nicht wirklich.«
Liam schüttelt schmunzelnd den Kopf. »Allerdings nicht. Wer konnte ahnen, dass Stephanie wegen dem bisschen die Nerven verliert.«
John hält sein Bier hoch, spreizt den kleinen Finger ab und verstellt seine Stimme. »Ich will sofort nach Hause, Liam.«
»Sie hatte eben Angst um mich. Okay, ich gebe zu, dass sie damit ein bisschen Chaos in die Sache gebracht hat.«
»Du meinst, als ihre Eltern noch am selben Tag angereist sind, um ihr Nesthäkchen mit dem Privatjet nach Hause zu bringen, ziemlich gleichzeitig unsere Eltern informiert haben und unser Törn damit beendet war? Ja, das war unschön.«
»Und teuer«, ergänze ich. »Zum Glück sind wir nur ein bisschen aufgesetzt und es gab keine größeren Schäden. Trotzdem mussten unsere Eltern die Reparatur bezahlen.«
»Er hats bestimmt bereut, dir den Skipperschein spendiert zu haben«, bemerkt John.
»Worauf du wetten kannst! Immerhin mussten wir keinen Skipper engagieren und sind unter uns.« Ich zucke mit den Schultern. »Im Nachhinein hat alles sein Gutes und wir haben draus gelernt. Trotzdem würden sich meine Kinder ihre Urlaube selbst verdienen müssen.«
John hebt eine Braue. »Welche Kinder?«
Für einen Moment sagt keiner von uns ein Wort. Wir beobachten den orangefarbenen Ball am Horizont und sehen zu, wie er langsam hinter der Wasserlinie verschwindet.
Liam steht auf, geht nach unten, kehrt kurz darauf mit einem Windlicht zurück und stellt es zwischen uns.
»Folks, wir sind jetzt Mitte dreißig …«, beginnt er ungewohnt ernst. »Wollt ihr Kinder? Ich meine, dazu bräuchten wir jeder eine Frau. Ich weiß nicht, ob ich schon so weit bin. Ihr wisst, was ich meine. Das Leben genießen, Partys, Freiheit, ab und zu eine heiße Braut mit nach Hause nehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, das alles einzutauschen gegen Windeln und Urlaub in den Ferienzeiten. Ihr?«
Stille. John räuspert sich, ich blase die Wangen auf.
»Weiß nicht. Es wäre ein neuer Lebensabschnitt. Wir werden nicht jünger.«
»Nein, nur reifer und interessanter.« Liam deutet auf seine linke Schläfe. »Bei den ersten grauen Haaren fliegen die Sweeties nur so auf uns. Nebenbei bemerkt: Ich will mich nicht mit Themen beschäftigen, die weit in der Zukunft liegen. Irgendwann Kinder haben, irgendwann heiraten und gemeinsam alt werden … Es kommt, wie es kommt. Das können wir nicht beeinflussen.«
»Findest du?«, wirft John ein. »Wenn ich darauf gehofft hätte, dass irgendwann der richtige Job an die Tür klopft, würde ich heute noch warten.«
»Das ist nicht das Gleiche«, widerspricht Liam und fährt sich mit den Fingern durch die vollen Haare. »Ich warte nicht auf die Frau des Lebens. Warum auch? Wir sind jung, reich, die Damen suchen uns.«
»Schon …« Nachdenklich drehe ich das Glas in den Händen und wundere mich über meine Gedankengänge, die Liam losgetreten hat. »Aber was ist in zwanzig Jahren? Ja, ich weiß, die grauen Schläfen ziehen die Frauen an wie Blümchen die Bienen. Andererseits ist so ein Leben bisweilen anstrengend, findet ihr nicht?«
John nickt und zuckt mit den Schultern. »Ab und zu schon …«
»Fakt ist, wir haben so ziemlich alles, was wir erreichen wollten«, fahre ich fort, während sich in meinem Kopf eine Idee formt. »Was kann das toppen? Die größere Party, der exklusivere Empfang, der höhere Jahresbonus? Wollen wir ewig so weitermachen? Wenn wir ehrlich sind, fahren wir seit Jahren auf der Überholspur. Mit Vollgas.«
Liam sieht mich mit gerunzelter Stirn an. »Und du meinst, Ehefrau, Kinder und ein geregeltes Leben machen das Leben entspannter? Wage ich zu bezweifeln.«
John kratzt sich am Hinterkopf. »Bo hat nicht ganz unrecht. Evolutionsbiologisch betrachtet ist der maßgebliche Sinn des Lebens und das oberste Ziel aller Lebewesen, die eigenen Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Für meinen Teil bitte schön in möglichst guter Kombination und mit denkbar wenig Aufwand.« Er grinst und deutet auf seine Körpermitte. »Nicht auszudenken, wenn dieses sagenhafte Erbgut aussterben würde.«
»Da ist was dran, Folk«, lenkt Liam nachdenklich ein.
Ich richte mich gerade und sehe meine Freunde nacheinander an. »Schließen wir eine Wette ab!« Damit habe ich die beiden am Haken. Wettkämpfe sind bei John und Liam stets willkommene Herausforderungen. Und bei mir auch. Wir sind Gewinner. Immer. »Bis zu unserem nächsten Treffen findet jeder seine Miss Right. Derjenige, der die Wette verliert, übernimmt alle Kosten.«
»Ein Jahr also, hm?«, sagt John schmunzelnd. »Warum verkürzen wir nicht auf neun Monate? Die Zeit einer Schwangerschaft. Fände ich originell.«
»Neun Monate …« Ich reibe mir nachdenklich das Kinn. »Ein relativ kurz bemessener Zeitraum, um die Frau fürs Leben zu finden. Aber okay, why not?«
»Ihr habt zu viel Promille im Blut, Folks, das ist doch keine ernsthafte Challenge!« Liam zieht spöttisch eine Braue hoch. »Ich könnte einfach eine rausdeuten und sie mitbringen.«
»Würdest du nie tun«, bemerkt John lakonisch.
»Ach ja, und warum nicht?«
»Weil du eine viel zu ehrliche Haut bist und weil wir Ehrenmänner sind.«
Für die Dauer von zwei, drei Wimpernschlägen herrscht nachdenkliches Schweigen, dann hebt Liam die flache Hand in die Mitte. »Was soll’s. Deal. Ich bin dabei!«
Wir klatschen uns ab.
Deal.


~ Penny ~


Ich sitze im Schneidersitz auf dem Sofa, auf meinen Knien ein Notizblock, und kaue auf dem Ende eines Kugelschreibers herum.
Gute Vorsätze zum neuen Jahr? Ach bitte. Das ist doch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die meisten starten voll durch, bremsen nach spätestens vier Wochen massiv ab und kehren zum alten Trott zurück.
Seufzend lege ich Block und Kuli zur Seite und lasse mich in die weichen Sofakissen zurückfallen. Ich muss dringend einige Dinge an mir verbessern, ändern, ausmerzen. Weil sie mich selbst nerven. Sie nerven so sehr, dass ich sie nicht mal aufschreiben mag. Schon gar nicht am letzten Tag des Jahres. Heute will ich nicht an Unangenehmes denken. Oder an Neo. Oder dass mein erster Arbeitstag nächstes Jahr mit einem neuen Vorgesetzten startet.
Ich vermisse unseren alten Boss, den besten Chef der Welt. Mitte Dezember hat er seinen wohlverdienten Ruhestand angetreten, der Nachfolger wird im Januar seinen Posten als CEO von Season Publishing übernehmen. Ein international vertretener Verlag mit Hauptsitz in Dublin. Wer weiß, was mich mit so einem jungen CEO erwartet? Aber wie gesagt, für trübe Gedanken ist nächstes Jahr auch noch Zeit.
Also frühestens morgen.
Heute Abend würde ich es mir am liebsten zu Hause auf meinem zitronengelben Sofa gemütlich machen, umgeben von flauschigen Kissen. Merke: Kissenbezüge waschen! Selbst das wäre mir jetzt näher, als mich in Menschenmassen zu stürzen.
Überall auf der Welt wird gefeiert. So will es das Gesetz, und ich muss mich fügen, obwohl ich den Jahreswechsel viel lieber verschlafen möchte. Doch ich bin verabredet. Um Mitternacht läutet die ganze Stadt das neue Jahr traditionell mit dem bewegenden Song »Auld Lang Syne« ein und ich werde aller Voraussicht nach mit irgendeinem alkoholischen Getränk in der Hand und an der Seite meiner Freundin Bela in einem der angesagtesten Clubs in Dublin mir fremden Menschen um den Hals fallen und ihnen ein frohes neues Jahr wünschen.
Ich kann es kaum erwarten, den ganzen Abend damit zu verbringen, Small Talk mit Leuten zu führen, die ich nie wiedersehen werde, und dabei ohne Platz zum Atmen auszukommen.
Was solls, ich werde es überleben. Immerhin bin ich noch nie im berühmten Krystle Nightclub gewesen, die führende Location der gesellschaftlichen Szene Dublins. Es befindet sich, wie viele andere der bekanntesten Clubs in Dublin, in der eleganten Umgebung der Harcourt Street. Wie auch das Dicey’s Garden und das Copper Face Jacks. Aber das Krystle toppt alles.
Und ich habe natürlich nichts Adäquates zum Anziehen. Man kennt das: Kleiderschrank voll, Auswahl unterirdisch.
Manchmal wünsche ich mich in meine Kindheit zurück. Früher haben wir den Silvesterabend traditionell im Kreise der Familie gefeiert. In den Wochen davor wurden alle Reparaturen am und im Haus abgeschlossen und eine große Putzaktion gestartet. Am letzten Tag des Jahres gab es ein üppiges Festmahl, danach wurden Unglück und böse Geister vertrieben, indem eines der Familienmitglieder ein Stück Kuchen an Türen und Wände des Hauses stößt. Und weil es Glück bedeutet, wenn ein dunkelhaariger Mann nach Mitternacht zu Besuch kommt, ist mein Dad vor die Tür gegangen, hat geklopft und wir haben ihn jubelnd begrüßt. Ich durfte nie rausgehen und wieder reinkommen. Das fand ich doof. Und das nur, weil ich rote Haare habe. Denn wenn eine rothaarige Frau über die Schwelle tritt, kommt das Unglück.
Im Laufe der Zeit glaubte ich nicht mehr daran, dass wir zum Jahreswechsel zu Hause bleiben mussten, um den Elfen nicht zu begegnen, die diese Nacht für ihr Treiben reserviert hatten. Trotzdem ist es eine schöne Kindheitserinnerung. Sie treibt mir ein Lächeln ins Gesicht.
Obwohl es mir seit einigen Tagen schwerfällt, überhaupt ein Lächeln zustande zu bringen.
Ich zupfe ein kleines, dunkelbraunes Katzenhaar vom Kissen. Eines von vielen. Überall stecken sie im Stoff des Sofas. Klar, ich hätte sie einfach absaugen können, als ich gestern die Wohnung geputzt habe, doch ich habe es nicht über mich gebracht. Sie erinnern mich an Neo. Vor einer Woche hat mein alter Kater seine letzte Reise angetreten.
Vielleicht ist es gar keine so üble Idee, mich heute Abend abzulenken.
Entschlossen, mich nicht in Erinnerungen an Neo zu verlieren, sondern den Blick auf das Jetzt und die Zukunft zu richten, widme ich mich wieder den Zielen für das kommende Jahr.
Neujahrsvorsatz No 1: kein Haustier mehr.
Neo ist nicht zu ersetzen. Neo bleibt Neo.
No 2: Keine Pastramisandwiches mehr!
Ich male einen Kringel neben Punkt Nummer zwei. Vielleicht genügt es ja, wenn ich nur einmal im Monat …?
Mein Handy klingelt.
Ganz in meiner Nähe.
Aber wo … Ah, da ist es ja.
Ich ziehe es hinter einem Sofakissen hervor – weiß der Teufel, wie es dahingekommen ist – und nehme das Gespräch entgegen.
»Hallo, Bela«, begrüße ich meine Freundin. »Was gibt’s?«
Insgeheim hoffe ich, dass sie irgendeinen harmlosen Grund anführt, der mich heute ohne schlechtes Gewissen zu Hause bleiben lässt.
»Ach je, du klingst gar nicht gut. Hast du geweint? Das mit Neo tut mir so leid, Süße.«
»Nein, habe ich nicht, aber ich bin kurz davor«, gebe ich zu und zupfe ein weiteres Katzenhaar vom Sofa.
»Umso wichtiger, dass du auf andere Gedanken kommst. Weswegen ich anrufe … Ich habe keine Ahnung, was ich anziehen soll. Ein Abendkleid mit Stola? Das kleine Schwarze? Am liebsten wären mir Hosen, aber …«
»Das kleine Schwarze«, unterbreche ich sie. »Das steht dir unglaublich gut.«
»Ist das an Silvester nicht ein bisschen zu schlicht? Oh, ich habe eine Idee, ich ziehe die schwarze Lederhose an und mein silbernes Paillettentop drüber. High Heels dazu – perfekt. Danke.«
»Für was? Auf die Idee bist du selbst gekommen. Aber Pailletten sind gut. Ich werde mein schwarzes Paillettenkleid anziehen, denke ich. Danke für die Inspiration. Ich bin mir unsicher, ob ich die Haare offen tragen soll.« Unwillkürlich zwirble ich eine Strähne zwischen den Fingern und überlege, wo in den Tiefen meines Kleiderschrankes das Kleid wohl vor sich hinschlummern mag. Ich weiß nur, dass ich es in einen Karton gelegt habe. Aber in welchen? In die Kann-Weg-Kiste im Keller?
»Stecke die Seiten locker hoch, dann hast du sie aus dem Gesicht und der Rest deiner Mähne fällt über die Schultern. Ach, was würde ich geben, deine tollen Locken zu haben, Penny. Sie haben so einen wunderschönen, natürlichen Rotton und …«
»Jetzt übertreib mal nicht. Ich würde jederzeit gegen dein Goldblond tauschen. Männer stehen auf blonde Frauen mit blauen Augen.«
Meine Augen sind grün mit braunen Sprenkeln beziehungsweise braun mit grünen Sprenkeln. Ich habe lange gebraucht, selbstbewusst mit diesem kosmetischen Makel umzugehen, und mich im Lauf der Zeit daran gewöhnt, dass die Menschen mir irritiert in die Augen sehen. Es gibt Schlimmeres, ich könnte eine Warze auf der Stirn haben oder die mysteriöse Aura von permanenten Augenringen oder …
»Bei dir sehen die Männer zweimal hin, Süße. Das ist was Besonderes. So, die Kleiderfrage ist geklärt, jetzt eine schöne Dusche. Wir sehen uns nachher. Ich freu mich, das wird eine tolle Party. Vielleicht treffen wir ja einen Promi? Wusstest du, dass Colin Farrell schon dort war? Sein Bruder hat im Krystle seine Hochzeitszeremonie nachgeholt und Colin war sein Trauzeuge.«
»Der Colin Farrell, der Schauspieler?«
»Kennst du noch einen anderen?« Bela lacht, verabschiedet sich und ich nehme ein Kissen in den Arm.
Bela ist der Typ Frau, dem die Männer hinterhersehen. Immer! Sie besitzt eine lange, glänzend blonde Mähne, ist groß, schlank und durchtrainiert. Ich bin klein, unsportlich, eine Spur zu mollig und meine Haare entwickeln mit zunehmendem Alter eine eigene Persönlichkeit. Aktuell planen sie, eine Rebellion gegen mich anzuzetteln. Ich sehe aus wie ein kleiner, dicker Kobold mit dem Finger in der Steckdose.
Womit ich wieder bei den Zielen wäre – genauer bei einem, das mir besonders schwerfällt.
Sport!
Leider ist mit fast dreißig das Höhenwachstum abgeschlossen. Da wächst sich nichts mehr aus, es geht nur noch in die Breite. Ich setze ein weiteres Ausrufezeichen dahinter.
Nächster Punkt: Handy nicht mehr verlegen.
Wahrscheinlich ist das so eine unterbewusste Sache. Ich mag Handys nicht. Jederzeit erreichbar sein zu müssen, setzt mich leicht unter Druck.
Ich werfe einen letzten Blick auf die Liste, falte sie säuberlich zusammen, stehe auf und stecke sie in meine Tasche. Jetzt ist es Zeit, mich für den Abend aufzustylen und den Gute-Laune-Modus zu aktivieren.

Mit etwa zwanzig Minuten Verspätung komme ich am Krystle an. Die Schlange vor der Tür ist lang, mein Kleid zu kurz, der Mantel zu leicht, der Wind zu kalt und ständig fällt mir eine Haarsträhne ins Gesicht.
»Mist«, murmle ich. Ich muss Bela Bescheid sagen, dass es bei mir noch dauert.
Ich taste in der winzigen Clutch nach dem Handy und stöhne genervt auf. Kein Handy. Das liegt zu Hause. Und irgendwie beneide ich es.
»Na«, sagt ein Typ hinter mir. »Kannst du mir was von dem abgeben, was dich so stöhnen lässt?«
Ist das ein Idiot? Ja, ist es!
Ich drehe mich um. »Du kannst meine High Heels tragen, wenn du magst. Das Schönste ist, wenn der Schmerz nachlässt.«
»Äh, was hastn du fürn Problem?«
»Deine zum Glück nicht!« Damit drehe ich mich wieder um.
Sag ich doch. Idiot.
Sauer auf mich selbst stecke ich die Hände in die Manteltaschen und ziehe die Schultern hoch, als ob mich das wärmen würde.
Oh? Da ist es ja! Hallo, Handy, du Goldstück, schön, dich bei mir zu haben.
Fünf entgangene Anrufe. Von Bela. Eilig klingele ich bei ihr durch.
»Sorry, Bela. Sorry, sorry, sorry!«
»Wo bleibst du denn?«
»Bin da, stehe in der Schlange. Tut mir wirklich leid. Ich musste ein Dutzend Pailletten am Kleid festnähen, habe die kleine, schwarze Clutch nicht gefunden und meine Haare haben sich geweigert …«
»Penny, ich kann dich kaum verstehen«, unterbricht sie mich. »Hier drin ist es ziemlich laut. Komm einfach an die Bar. Ich sitze ungefähr mittig am Tresen, und der Barkeeper macht die tollsten Cosmopolitan, die du je getrunken hast. Ich bestelle dir auch einen.«
»Ja, klar, warum nicht«, sage ich, doch sie hat bereits aufgelegt.
Nach weiteren unendlichen zehn Minuten stapfe ich auf eiskalten, fast gefühllosen Füßen die Treppe hoch und gebe meinen Mantel an der Garderobe ab.
Es ist so voll, dass ich mich strecken muss, um über die Menschen hinweg die Bar zu suchen. Irgendjemand vor mir reicht ein Tablett mit Cocktails an eine Gruppe von Anzugträgern weiter. Auf dem Weg zur Bar habe ich gefühlt mehr Körperkontakt als im ganzen Jahr.
»Hi, Bela!« Ich umarme sie und entschuldige mich zerknirscht.
»Mach dir keinen Kopf, Penny, ich kenne dich doch. Deine Verspätung hat mir Zeit gegeben, dem süßen Barkeeper meine Visitenkarte zuzustecken.«
Ich setze mich neben sie. »Gott, ist das voll hier.«
»Klar, an Silvester ist alles voll. Was macht dein Buch?«
»Dem geht es gut. Es schlummert friedlich in den Tiefen meines Laptops. Und der liegt auf dem Sofa. Also genau da, wo ich jetzt auch gern wäre. Heute nicht dieses Thema, okay?«
»Warum nicht? Penny, es ist so cool, dass du ein Buch schreibst! Lass mich lesen, was du so schreibst.«
»Wenn es fertig ist. Vielleicht. Kann dauern. Themawechsel, bitte.«
»Okay.« Bela zuckt mit den Schultern, nippt an ihrem Cocktail und sieht mich mit einem amüsierten Blitzen in den Augen an. »Vervollständige deine Gute-Vorsätze-Liste mit: galantere Gesprächsübergänge finden. Und wenn nicht mindestens einer deiner To-dos lautet, dass du dein Manuskript vollendest und an Verlage schickst, will ich die anderen gar nicht wissen. Aber jetzt wird gefeiert. Und ich weiß auch schon, wer uns Gesellschaft leisten wird.«

Alle Romane von Jo Berger können unabhängig voneinander gelesen werden. Keine Cliffhanger und garantierte Happy Ends.


Ich hoffe, der Anfang des Romans hat dir gefallen, und du bist jetzt neugierig, wie es weitergeht.

DeineJo Berger Bestseller Liebesromane


Hier geht es zu THE CEO DEAL

CEO DEAL