Schriftsteller sein ist gar nicht so einfach

Das bisschen Schreiben …

… sagt mein Mann. Das ist ja kein richtiger Beruf, mehr so eine Art … kreative Entfaltung. Meine Freundin sagt das auch. Ebenso meine Tochter (Teenager, Lebensweisheiten mit Löffeln gefressen und sowieso den totalen Durchblick. Klar, ne?)

Sehe ich zwar anders, aber so ist das mit den Einzelmeinungen. Nun, hier ein Tag voll mit kreativer Entfaltung.

Viel Spaß!

 

Heute hatte ich mir vorgenommen: Schreiben bis der Arzt kommt.

Passiert ist das:

Geschlafen bis 8 Uhr morgens (Huch?! Normalerweise falle ich um 6 Uhr aus dem Bett)
Ich höre meinen Mann unten in der Küche rumoren, putze im Vorbeifliegen die Zähne, sprinte unterm Wasserstrahl durch, wickele mich in ein Handtuch und rufe “ Hey, Scha…“
Höre die Haustüre ins Schloss fallen.
Gut, eheliche Kommunikation fällt an diesem Vormittag aus.

9:30 ! Eine halbe Stunde habe ich noch, dann ist Einkaufen bei Rewe angesagt. Habe ich Tochter versprochen. Sie ist fast 18, sagt sie. Sie kann jetzt Einkaufszettel machen und einkaufen gehen. Zum Begleiten und Bezahlen braucht sie Mama.
Erkenntnis: Nach dem Einkaufen wird geschrieben. Oder … Moment, um 12 muss der Hund Gassi.
„Mamaaaaaa? Kannst du mich um 13:30 nach Heidelberg fahren?“
„Klar“ Mama macht auf Taxi. Täglich und mit wachsender Begeisterung.

11:15 Die Einkäufe werden ausgepackt, Tochter kocht Gnoccis. Wahnsinn! Ich schnappe mir den Hund, der sich freut wie ein Wiesel auf Speed und gehe mit ihm eine knappe Stunde in strahlenden Sonnenschein spazieren.
Danach gibt es Gnoccis.

Blick auf die Uhr: 13:30
Ich fahre zwanzig Minuten nach Heidelberg, liefere Tochter am Bismarckplatz ab, und fahre wieder zwanzig Minuten zurück. Ich freue mich, denn ….

14:15 Jetzt schreibe ich, bis der Arzt kommt. Mein neuer Roman reizt mich so, dass ich es kaum erwarten kann.

14:30 Der Kaffee dampft, mein Hirn auch. Manuskript – Ich komme!

14:35 Es klingelt. DPD bringt ein Päckchen. Für meinen Mann.
Nachricht von Kollegin auf Facebook. Ach komm, beantworte ich schnell.

14:55 Es klingelt. Hermes. Päckchen für Nachbarn.
Kaffee holen. Ich knacke mit den Fingern. Jetzt aber. Schreiben!Ich brauche einen Moment, bis ich im Thema bin. Aber dann packt mich der Schriftstellerenthusiasmus

15:20 Es klingelt. Der BoFrost-Mann. Ich jage ihn mit gezückter Machete bis an die Straße.
Mein Hund freut sich, weil er denkt, es geht nochmal Gassi. Ich muss ihn enttäuschen und hinterlasse ein vorwurfsvoll dreinblickendes Felltier. Ich gebe ihm eine Kaustange und rase die Treppe hoch in mein Büro.

15:40 Das Telefon klingelt. „Guten Tag, wir sind von der Gesellschaft für Strmpfglkspfhmt und machen eine Umfrage für Hschtpflzpfürz, haben Sie 10 Minuten Zeit?“
„NEIN!“

15:50 Kaffee ist kalt. Ich hole neuen. Hund hat die Kaustange ausgekotzt.

16:20 Stille. Kein Telefon, kein Klingeln. Und der Hund schläft. Manuskript! Ich komme!
Ich lese die letzten fünf Seiten um reinzukommen. Danach lächle ich. Ha! Ich weiß, wie es weitergeht! Das wird gut, so richtig gut. Nicht nur gut. Verstehste?

16:45 Brachial wird die Tür zu meinem Büro aufgerissen. „Mama? Kannst du mich mal eben schnell ins Fitnessstudio fahren, hab einen Termin.“
Mama fährt. Warum auch nicht?
„Taxiservice, Putzfrau, Geldspucker und Krankenschwester“ – Steht alles auf meiner Stirn tätowiert. Was fehlt ist „Schriftsteller“!
Nachdem wir vorher noch die Freundin und die Freundin von der Freundin abgeholt haben, sitze ich auch schon lächerliche eineinhalb Stunden später wieder vor dem PC.

18:45 Gleich kommt mein bester Ehemann von allen nach Hause. WhatsApp bekommen. In seiner ausufernden Art, sich auszudrücken, hat er mir seine Vorstellung des heutigen Abends geschildert.

„Whiskey?“ lese ich, und antworte.
„Jap!“

19:00 Ich fahre den PC runter.

Ab 24 Uhr werde ich schreiben! Dann, wenn alles schläft.

Kein Hermes, kein Bofrost, kein DPD.