Leseprobe:

Wetterfest – Ein Buchladen auf Sylt, die Liebe und wir

 

Wenn der Wind in den Dünen deine Seele streichelt und dein Herz im Takt der Wellen schlagen lässt.

Die lebensfrohe Konditorin Sophia steht an einer Wende ihres Lebens. Spontan entscheidet sie sich für eine Auszeit auf Sylt. Sie reist nach Kampen, um sich von der frischen Brise der Nordsee inspirieren zu lassen. Und um eine Entscheidung zu treffen.
Am Strand lernt sie Noah kennen, der sie magisch anzieht und zugleich verunsichert. Aber ganz sauber tickt der nicht, oder? Wer stürzt sich schon Ende März mit seinem Surfbrett ins eiskalte Meer? Dennoch übt der pudelnasse Reetdachdecker in Neopren eine starke Faszination auf sie aus.
Als Sophia kurz darauf in einem antiquarischen Buchladen ein altes Tagebuch entdeckt, das von einer vergangenen Liebe auf Sylt erzählt, packt sie die Neugier. Fasziniert von der Geschichte begibt sie sich auf Spurensuche. Dabei stößt sie nicht nur auf ein gut gehütetes Familiengeheimnis der Insel, sondern auch auf den Schlüssel zu ihrer eigenen Liebesgeschichte.
Sophia muss sich die Frage stellen: Sind ihre Gefühle stark genug, um alte und neue Wunden zu heilen?

Zwischen atemberaubender Natur der Nordsee, verstaubten Büchern eines romantischen Buchladens und der Frage nach einer jungen Mutter entfaltet sich zwischen Sophia und Noah ein romantisches und aufwühlendes Abenteuer.

Ein herzerfrischend lebendiger Inselroman zum Seufzen, Sehnen und Lieben vor der malerischen Dünenlandschaft Sylts.

Der Zauber der Insel packt jeden zu jeder Jahreszeit. Ob man will oder nicht.
Kurz vor dem roten Kliff verließ ich den Holzbohlenweg, um auf dem weichen, hellen Sand des Strandes weiterzugehen. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der Blick auf die etwa dreißig Meter hohe und von der Sonne in goldenes Licht getauchte Steilküste machte mich sprachlos, so schön war sie anzusehen. Zwar nicht rot, wie der Name vermuten ließ, aber imposant. Das rote Kliff leuchtete nur bei Sonnenuntergang rot. Nun, dann hatte ich die Tage ja was vor. Zum Beispiel mit einer Kanne Tee, Sitzkissen und einer Decke hierherkommen und zusehen, wie die untergehende Sonne dieses fantastische Kliff einfärbte.
Ergriffen blieb ich stehen und ließ den Blick immer wieder vom Kliff zum Meer und wieder zurück schweifen, vorbei an jeder Menge weißblauer Strandkörbe, die wirkten, als wären sie von göttlicher Hand auf den Küstenstreifen gewürfelt worden. Dazwischen und am Meersaum einige verstreute Touristen. Obwohl ich von der Insel bisher noch nichts weiter gesehen hatte, war für mich jetzt schon klar: Ich bin schockverliebt und das »Rote Kliff« ist ab sofort mein Lieblingsplatz!
Weiter ging es auf teils sandigen und abwechslungsreichen, mal schmalen, mal breiteren Wegen durch die Dünen. Die Natur um mich herum und die vielen verschiedenen Ausblicke auf den etwa dreißig Meter tiefer liegenden Strand waren Balsam für die Seele. Besser als jede Entspannungsmassage. Viel besser. Ich konnte mich nicht erinnern, dass ich mich die letzten Jahre so lebendig und gleichzeitig frisch gefühlt hatte.
Mein Weg führte mich an der Strandwirtschaft »Onkel Johnny« vorbei, und es roch ausgesprochen lecker nach gebratenem Fisch und Pommes. Ob ich hier schon zu Mittag essen sollte? Bis zum Strandrestaurant Gosch war es noch weit und … Ach was, schließlich hatte ich Zeit, und es sah nicht nach Regen aus.
Ich lief weiter. Wie schön es war, das Rauschen der Wellen, wie hübsch ihre weißen Schaumkronen. Wäre es wärmer, würde ich jetzt die Schuhe ausziehen und durchs Wasser laufen.
Seltsamerweise hatte ich mit einem Mal das schleierhafte Gefühl, dass ich genau an diesem Ort sein sollte. Es verstärkte sich mit jeder Welle, die leise flüsternd an den Strand rollte. Mein Blick richtete sich in die unendliche Weite, zum Horizont, wo das Meer endete und der Himmel sich in hellerem Blau vom Wasser abhob. So blieb ich eine Weile stehen. Bis ich fröstelte.
Moment … War das eben ein Surfer? Spinnt der, bei diesen Temperaturen wie eine Robbe durchs Wasser zu pflügen?
Nun ja, was ging es mich an? Es gab überall Bekloppte. Ob sie sich an elastischen Seilen von Brücken stürzten, mit schmalen Kanus durch Wildwasser fuhren oder … Oh, er kommt raus. Und direkt auf mich zu.
Irgendwas hielt mich an Ort und Stelle. Vielleicht war es sein Gang, der so kraftvoll und geschmeidig wirkte, und seine athletische Figur. So ein Neopren war ja auch hauteng … Du meine Güte, ich würde in so einem Anzug aussehen wie eine Presswurst.
Der Gedanke ließ mich kichern, und ich wollte mich schon abwenden, da sprach mich der Kerl mit dem Surfbrett unterm Arm unerwartet an.
»Noch nie einen Surfer gesehen? Verraten Sie mir, was so lustig ist?«
Oha, was für eine schöne, dunkle Stimme.


Für die ersten Wellen dieses Jahr hatte es sich gelohnt.
Seit Tagen schon zog es mich raus aufs Wasser – und heute bot sich endlich die Gelegenheit. Die lange Winterpause ist für einen Surfer, der keine Gelegenheit hat, in wärmere Gefilde aufzubrechen – wie zum Beispiel nach Hawaii – eine lange Durststrecke. Diese Woche waren das Wetter und die Wellen ziemlich grenzwertig gewesen. Bis gestern Nieselregen, Nordwind und alles closed out. Der heutige Tag jedoch entschädigte alles. Wellen super und kein anderer Surfer weit und breit. Den meisten war es zu kalt. Mir zwar auch, aber was mich nicht umbringt, macht mich nur härter. Ich hatte einige gute Rides, dazu Booties und Handschuhe. Die Haube hatte ich vergessen einzupacken. Dadurch war’s am Kopf schon ein bisschen frisch. Das merkte ich insbesondere an Land.
Zügig strebte ich die Treppe an, doch das Kichern der kleinen Frau, die mich anstarrte, als wäre ich eine Robbe auf zwei Beinen, bremste mich kurz aus. Entgegen meiner Absicht, sie zu ignorieren, hielt ich bei ihr an. Keine Ahnung, warum. Weil sie irgendwie süß aussah mit den hellbraunen Locken, die neckisch unter der rosafarbenen Mütze hervorlugten. Oder weil ich mich schlichtweg ungern von Frauen auslachen ließ?
»Noch nie einen Surfer gesehen? Verraten Sie mir, was so lustig ist?«
»Wie bitte?!« Sie sah mich aus großen Augen an, und mir wurde bewusst, wie unfreundlich ich geklungen haben musste. Aber war das ein Wunder? Bei knapp 12 Grad und völlig durchnässt durch starken Westwind laufen, konnte die Stimmung schon mal in die Nähe des Gefrierpunktes rutschen lassen.
»Entschuldigung«, sagten wir beide gleichzeitig, und ich musste schmunzeln. »Sie zuerst.«
»Tut mir leid«, sprach sie weiter. »Ich habe nicht über Sie gelacht, sondern über mich wegen des …« Sie deutete mit dem Finger auf meine Mitte.
»Wegen des Shortboards?«
»Nein.« Sie zog die Schultern hoch und ihre vollen Lippen zu einem leicht ertappten Lächeln. »Wegen Ihres Neoprenanzuges. Ich stellte mir vor, wie ich darin … Egal. Sind Sie eigentlich total irre, bei diesem Wetter ins Wasser zu gehen? Sie müssen ja völlig …«
»… durchgefroren sein. Ja, geht so, ich trage den Anzug ja nicht von ungefähr.« Ich hörte den Klang meiner Stimme und fragte mich, warum ich so grantig auf diese Frau reagierte. Auf diese zugegeben niedliche Frau, die soeben sogar leicht errötete.
Jetzt runzelte sie die Stirn und hob das Kinn. »Sind Sie eigentlich immer so unfreundlich?«
»Nur, wenn mich jemand als total irre bezeichnet.«
»Verzeihung, aber das sind Sie auch. Wer geht schon bei diesen Temperaturen ins Meer? Sie könnten sich erkälten.«
Da sprach sie Wahres lässig aus. Obwohl ich meiner Gesundheit zuliebe so schnell wie möglich zu meinem Wagen und in warme Klamotten schlüpfen sollte, hielt mich etwas bei ihr.
»Ich bin Sylter, ich kann das ab.«
Sie verschränkte die Arme. »Aha. Hat der Sylter auch einen Namen?«
Das verblüffte mich jetzt. Schnell wechselte ich das Shortboard von rechts nach links und bot ihr meine Hand an. »Noah. Und wie heißen Sie?«
»Sophia.« Skeptisch linste sie auf meine Hand und schien zu überlegen, ob sie sich nass machen wollte, schüttelte sie jedoch kurz und deutete ein Lächeln an. Sie hatte einen angenehm festen Händedruck. Und ein hinreißendes Lächeln. Schöne braune Augen. Verdammt, allmählich wurde es unangenehm kalt.
»Heute ist mein erster Urlaubstag. Auch wenn ich auf viele Landschaftseindrücke und eventuelle Wildtiersichtungen vorbereitet war, an einen Surfer dachte ich nicht eine Sekunde. Wieso ist Ihr Surfbrett so kurz? Ach was, gehen Sie lieber, bevor Sie total unterkühlen!« Damit hob sie die Hand, winkte mir kurz zu, wie eine Queen ihr Volk begrüßt, und wollte sich abwenden.
Vernünftigerweise sollte ich mich ebenfalls verabschieden, dennoch blieb ich stehen, ohne dass ich mir selbst einen plausiblen Grund dafür liefern konnte.
»Um Ihre Frage zu beantworten …«, sagte ich etwas lauter, und sie drehte sich zu mir um und zog die Brauen hoch.
»Ja?«
»Längere und breitere Bretter als dieses hier sind passend für Anfänger. Sie sind stabiler, leichter zu paddeln und zu stehen. Sie bieten ein gemütlicheres Fahrgefühl, vor allem bei großen Wellen. Shortboards sind jedoch einfacher zu manövrieren und lassen radikale Turns und tiefe Barrel-Rides zu. Damit kann auch der Pocket gesurft werden. Das ist der kleine Teil einer Welle, der direkt oben am Peak ist. Und das Surfen hier im Frühjahr macht Spaß, im Sommer kann das Line-up ziemlich voll werden, insbesondere, wenn es einige wenige gute Surftage gibt. So wie heute. Na ja, nicht optimal, aber für das erste Mal in diesem Jahr fast perfekt.«
»So, so, das erste Mal.« Sie wirkte amüsiert. Oder doch eher überrascht? Wie kam ich nur dazu, sie so vollzuquatschen?
Ungeschickte Gesprächsführung, Noah, sehr ungeschickt.
Obwohl mein Hirn mir eindringlich mitteilte, dass es mit dem angeberischen Gequassel jetzt eigentlich gut sein müsste, redete ich weiter. »Wissen Sie, die Wellen auf Sylt sind meist recht schnell und brechen unregelmäßig, und jetzt im Frühjahr – und auch im Winter – sind sie teilweise recht aggressiv und hoch. Für Anfänger, nicht für mich. Aber die Wellengröße passt heute. Sind gute Voraussetzungen für Wellen, da Tiefdruckgebiete vorhanden sind. Erfreulich, denn bis gestern war das Wetter ziemlich schlecht. Nicht schlimm, ich habe sowieso arbeiten müssen. Nur bei starkem Regen muss ich unterbrechen oder unfreiwillig Feierabend machen.«
Verdammt, was wollte ich ihr beweisen? Dass ich ein toller Typ bin? War doch sonst nicht meine Art.
Die Quittung kam postwendend. Sophia schüttelte den Kopf und lachte.
»O mein Gott, Sie sind ja ein ganz toller Hecht, was? Und wenn Sie noch länger hier rumstehen, bald ein erkälteter dazu. Und falls Sie erwarten, dass ich Sie jetzt frage, was Sie beruflich machen, weil Sie trotz Regen arbeiten, muss ich Sie enttäuschen. Zudem habe ich nur die Hälfte von dem verstanden, was Sie mir gerade erzählt haben.«
»Kam das so rüber?«, antwortete ich, wenn auch in meinem Kopf eine Menge an passenden souveränen Antworten herumspukten. Ich sah mich lässig am Tresen gelehnt, ein erhabenes Schmunzeln auf dem Gesicht, einen Daumen in der Gürtelschlaufe. Und ich hörte mich in Gedanken hauchen: Lebe im Jetzt, denn gestern ist vorbei, und morgen ist noch nicht geschrieben. Und jetzt komm, mein Pick-up wartet. Lass uns in die Sonne fahren, weit weg ins Warme.
Tatsächlich bibberte ich mittlerweile wie Espenlaub und krächzte ein mickriges »Ähm, Verzeihung …« heraus und stand eher total ungechillt und alles andere als cool am Strand herum. Im Neoprenanzug, klatschnass und ganz und gar nicht souverän. Meine verbalen Fehlgriffe konnten aller Voraussicht nach nicht einmal mein in die Jahre gekommener VW Amarok mit Allradgetriebe aus dem Rinnstein der vertanen Chancen holen. Irgendwie dämmerte mir, dass ich es auf der ganzen Linie versaut hatte. Ginge es nach der darwinschen Evolutionstheorie und der darin erwähnten Anpassung durch Selektion, hätte ich mit meiner eben gelieferten Vorstellung herzlich wenig zur Erhaltung meiner Spezies beigetragen. Andererseits … Was bitte schön gab es eigentlich zu versauen? Nichts, gar nichts.
Sophia zog die Schultern leicht hoch. »Keine Ursache. Ich muss dann mal los. Mir ist kalt. Und das, obwohl ich trocken bin. Ganz im Gegensatz zu Ihnen. Schönen Tag noch, Noah wie auch immer.«
»Brodersen«, rief ich ihr hinterher, doch sie stapfte schon mit langen Schritten davon – und ließ mich einfach stehen.
Zu meiner Überraschung jedoch drehte sie sich um, nickte und lächelte. »Zeit für eine warme Dusche, Noah Brodersen.«


Sylt1

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